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Darmverschluss, Operationen, Infekte – Feenjas erste Lebensmonate

Björn und Renates Tochter Feenja wurde im Sommer 2022 geboren und hatte direkt am zweiten Tag nach ihrer Geburt einen Darmverschluss. Ein typisches Anzeichen für eine Mukoviszidose. Die Diagnose stand daher schon schnell fest. Im Interview erzählt Björn, wie seine Frau und er die erste Zeit nach der Diagnosestellung erlebt haben und warum sie dann angefangen haben, sich für den Mukoviszidose e.V. zu engagieren. Ihre Geschichte ist Teil der Aktion „Erzähl Deine Diagnose-Geschichte“ im Mukoviszidose Monat Mai.

Hatten Sie schon einmal von Mukoviszidose gehört, bevor bei Ihrem Kind die Krankheit diagnostiziert wurde?

Feenja im November 2023
Feenja im November 2023

Unabhängig von meinem Beruf als Apotheker hatte ich schon früh von der Krankheit gehört. Bis zum Studium dachte ich, dass es eine Krankheit sei, die relativ schnell zum Tod führen kann – damals war dies ja auch noch eher der Fall. Dieses Bild der todbringenden Horror-Krankheit wurde dann durchs Studium und besonders den Beruf relativiert, denn ich erfuhr, dass die Krankheit kein automatisches Todesurteil mehr sein muss. In den Apotheken, in denen ich gearbeitet habe, hatten wir häufiger Patienten, die an Mukoviszidose erkrankt waren. Es war keine Seltenheit, dass diese Patienten die 30 überschritten hatten.

Wie wurde bei Ihrem Kind Mukoviszidose festgestellt?

In der zweiten Nacht nach der Geburt wurde festgestellt, dass Feenja keine Milch mehr aufnehmen konnte und diese relativ schnell wieder zurückkam. Sie drohte sogar am Erbrochenen zu ersticken, im Klinikum konnte meiner Frau und Feenja allerdings sehr schnell geholfen werden. Durch anschließende Untersuchungen und eine OP wurde ein Mekonium-Ileus, also ein Darmverschluss diagnostiziert. Uns wurde damals zunächst gesagt, dass Mukoviszidose nicht die einzige Ursache für so einen Verschluss sein müsse und man eher von einer anderen Diagnose ausginge. Natürlich macht man sich aber seine eigenen Gedanken und recherchiert selber. Von daher war mir schon recht klar, dass es sich um Mukoviszidose handeln könnte. Meine Frau hatte diesen Gedanken erst einmal beiseitegeschoben, so dass für sie die Diagnose dann doch ziemlich überraschend kam.

Feenja nach der Geburt. Sie hatte direkt nach der Geburt einen Darmverschluss.
Feenja nach der Geburt. Sie hatte direkt nach der Geburt einen Darmverschluss.

Der nach einer Woche durchgeführte Schweißtest zum Nachweis von Mukoviszidose hatte nicht funktioniert, so dass die definitive Diagnose neun Tage nach der Geburt durch den Gentest kam. Das Klinikpersonal hatte dafür gesorgt, dass wir relativ schnell die Diagnose bekommen sollten.

Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie von der Diagnose gehört haben?

Man kann nicht sagen, dass wir zu diesem Zeitpunkt darauf vorbereitet waren, da Feenja gerade ihre zweite schwere Operation hinter sich hatte. Ca. eine Woche nach dem operierten Darmverschluss ist der Darm an der OP-Naht perforiert, so dass es zu Komplikationen kam und sie wieder operiert wurde. In dieser OP erhielt Feenja ein Stoma, einen künstlichen Darmausgang. Am Abend nach der zweiten OP, als wir gerade wussten, dass alles gut gelaufen war, bekamen wir dann die Diagnose. Das war in der Fülle der Informationen einfach zu viel, weil es Feenja – insbesondere kurz vor dem zweiten Eingriff – wirklich nicht gut ging. Es war für uns kaum greifbar, was unsere Tochter zu diesem Zeitpunkt schon hatte durchmachen müssen und was für eine Zukunft ihr nun bevorstünde.

Feenja musste nach der Geburt direkt operiert werden, da sie einen Mekonium-Ileus hatte.
Feenja musste nach der Geburt direkt operiert werden, da sie einen Mekonium-Ileus hatte.

Wo haben Sie in diesem Moment Hilfe bekommen?

Feenja wurde im Klinikum in Oldenburg geboren und so schloss sich die Behandlung dort direkt an. Im Oldenburger Klinikum in der Mukoviszidose-Ambulanz ist Dr. Köster tätig. Uns wurde direkt am Tag nach der Diagnosestellung ein Termin bei ihm vermittelt. Nicht nur er, sondern darauffolgend auch das ganze Team der Muko-Ambulanz konnte uns auffangen. Sowieso fühlten wir uns in den über drei Wochen in allen Stationen im Klinikum sehr gut aufgehoben.

Feenja im Krankenhaus nach ihrer Geburt
Feenja im Krankenhaus nach ihrer Geburt

Dr. Köster wies uns im Termin direkt auf den Mukoviszidose e.V. hin. Ich hatte zuvor schon auf Ihrer Internetseite viele wichtige Informationen gefunden. Er empfahl uns, Mitglied im Verein zu werden und darüber den Austausch mit anderen Eltern zu suchen. Außerdem hat er uns auch sein Buch [„Unser Kind hat Mukoviszidose“ – herausgegeben vom Mukoviszidose e.V., bestellbar auf der Internetseite des Mukoviszidose e.V.] mitgegeben. Dieses Buch war sehr informativ. Durch unsere Berufe hatten wir schon so einige Berührungspunkte mit dieser Krankheit, aber so intensiv hatte man sich natürlich nie damit beschäftigt. Meine Frau hat das Buch dann an einem Tag durchgelesen, ich dann am nächsten. Darauf haben wir es den weiteren Familienmitgliedern gegeben, da wir der Meinung waren, dass das Buch besonders für Laien auch gut verständlich ist.

Wie war für Sie als Familie die erste Zeit nach der Diagnose?

Wir konnten uns zuerst gar nicht mit der Therapie beschäftigen, weil sich Feenja zunächst von der zweiten OP erholen musste. Es sollte erst einmal halbwegs Normalität einkehren. Dies gestaltete sich schwierig, weil bei Feenja in Folge der Operation ein künstlicher Darmausgang gelegt wurde und dieser und die hygienische Pflege dessen dementsprechend das Hauptaugenmerk auf sich zog.

Inhalieren ist auch bei Babys mit Mukoviszidose wichtiger Teil der Therapie.
Inhalieren ist auch bei Babys mit Mukoviszidose wichtiger Teil der Therapie.

Natürlich wurde direkt nach dem Gespräch mit Herrn Dr. Köster schon mit der Inhalation von Salbutamol in 6%iger Kochsalzlösung begonnen. Die Verdauungsenzyme wurden schon vorher, nämlich direkt nach der ersten Darm-OP zu jeder Mahlzeit gegeben. Wir waren immer bis spät abends bei der Kleinen im Krankenhaus und haben versucht, uns ein bestmögliches Gesamtbild von der gegenwärtigen Situation zu machen. In der Zeit haben wir uns auch mit sonst Niemandem getroffen. Feenjas ältere Schwester Jeelke hat sie erst kennengelernt, als sie dann mit über drei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen wurde.
Natürlich haben wir unsere Familien über die Diagnose informiert, die aber die Mukoviszidose auch eher noch als in Jugendjahren todbringende Krankheit kannten. Darum war es teilweise so, dass wir die anderen Verwandten beruhigen mussten und ihnen die neuen Therapiemöglichkeiten erklärten. Wir haben wie erwähnt allen nahegelegt, das Buch „Unser Kind hat Mukoviszidose“ zu lesen. Mittlerweile hat die ganze engere Familie dies auch getan.

Wie war es dann für Sie Zuhause?

Feenja im August 2022
Feenja im August 2022

Wir haben uns darauf sehr gefreut. Natürlich waren wir aufgeregt ob der neuen Situation und Therapie – besonders die Stomaversorgung gestaltete sich als sehr zeitintensiv. Wir hatten die ersten Wochen weiterhin Unterstützung durch eine vom Klinikum Oldenburg bereitgestellte Nachsorgeschwester, die zu uns nach Hause kam. So hatten wir einen zusätzlichen Überblick z.B. über den Gewichtsverlauf. Diesbezüglich bekamen wir schnell positiven Zuspruch, weil die Schwester begeistert davon war, wie gut Feenja zunahm – bei Muko-Kindern ja nicht immer selbstverständlich. Wegen des künstlichen Darmausgangs kam zusätzlich regelmäßig eine Stoma-Schwester. Über die Versorgung von Medikamenten bereiteten wir uns keine Sorgen, da ich Inhaber einer Apotheke bin, über der wir auch wohnen. So konnten wir uns natürlich schon, bevor Feenja aus dem Krankenhaus kam, mit allem eindecken, was Feenja benötigte, ohne auf die Entlass-Rezepte aus dem Krankenhaus unbedingt angewiesen zu sein, auf denen ja leider auch nur kleine Mengen verordnet werden dürfen.

So war tatsächlich der schwierigste Part die Stomaversorgung. Meine Frau hat sich auf sämtlichen Wegen Informationen geholt, so dass sie in dem Bereich eine richtige Expertin wurde, trotzdem war die Versorgung durch die mehrfachen Wechsel pro Tag sehr zeitintensiv.

Die Enzymgabe hat gut funktioniert. Eigentlich sollte Feenja so lange wie möglich Muttermilch bekommen, aber leider stellte sich die Milchproduktion nach und nach ein, so dass wir komplett auf Pre-Nahrung umstellen mussten, allerdings dadurch die Enzymmenge auch besser berechnen konnten.
Die Inhalationen haben natürlich auch einiges an Zeit beansprucht, außerdem gibt es immer wieder Phasen, in denen Feenja so gar keine Lust darauf hat, aber das gehört halt dazu.

Zweieinhalb Monate nach der Geburt ist der künstliche Darmausgang wieder zurückverlegt worden. Da gab es – wieder im Oldenburger Klinikum – keine Probleme bei der OP. Danach waren meine Frau und meine Tochter nur etwa fünf Tage im Krankenhaus. Unsere Tochter war sehr tapfer und hat die mittlerweile drei Operationen hervorragend weggesteckt und sich schnell davon erholt.
Durch die nun wegfallende Versorgung des Stomas gestaltete sich der Alltag ein wenig leichter, jetzt mussten wir allerdings die Verdauung im Auge behalten, damit sich der Stuhl nicht wieder verhärtet und es nicht wieder zu einem Verschluss kommt.

Wie geht es Feenja heute?

Durch einen RSV-Infekt musste Feenja im Februar erneut ins Krankenhaus.
Durch einen RSV-Infekt musste Feenja im Februar erneut ins Krankenhaus.

Sie hatte 2022 zwei größere Infekte, bei denen sie auch Antibiotika nehmen musste, die beide ca. vier Wochen andauerten. Im Januar hatte sie (und wir) mit ganz normalen Babyproblemen zu kämpfen, wie Blähungen und Zahnungsschmerzen. Anfang Februar musste Feenja dann allerdings aufgrund größerer Atemprobleme stationär aufgenommen werden. Bei einem spontanen Kontrolltermin in der Muko-Ambulanz, den wir bei Dr. Köster bekommen haben, weil Feenjas Zustand sich trotz erneuter Antibiose verschlechtert hatte, wurde eine geringe Sauerstoffsättigung festgestellt. In Folge weiterer Tests hat sich herausgestellt, dass Feenja an einem RS-Virus litt. Zudem wurde eine zusätzliche Asthma-Diagnose zur Diskussion gestellt. Die endgültige Diagnose steht aber noch aus. Feenja ging es in der Zeit wirklich schlecht, bekam zusätzlich Sauerstoff, weiterhin ein Antibiotikum, aber auch ein oral einzunehmendes Cortison und Paracetamol sowie Ibuprofen gegen die Schmerzen. Inhaliert wurden in der Zeit bis zu 8x am Tag. Nachdem sich Feenjas Zustand nach ungefähr einer Woche endlich langsam verbesserte, konnten meine Frau und Feenja nach knapp zwei Wochen das Krankenhaus – größtenteils auf eigenen Wunsch – verlassen.

Im Krankenhaus im Februar 2023
Im Krankenhaus im Februar 2023

Wie geht es Ihnen und Ihrer Frau?

Aktuell gut. Im Juli letzten Jahres war sie natürlich erst einmal wie ich auch durch die Diagnose und die Operationen sehr aufgewühlt. Wir haben uns selbstverständlich über Feenjas Geburt unglaublich gefreut, aber anstrengend war die Zeit trotzdem. Wir haben uns gefragt, in welche Richtung es mit Feenja gehen wird. Natürlich wünscht man sich sowohl bei den Operationen als auch bei der Erkrankung einen guten Verlauf. Später hatten wir dann die Gewissheit, dass die drei Eingriffe gut verlaufen waren und sie bzgl. der Mukoviszidose die genetische Variante hat, die voraussichtlich durch neue Medikamente gut therapierbar ist. Feenja ist ein Strahlemädchen. Sie lacht die ganze Zeit und das erwärmt unsere Herzen. Wir merken, dass es ihr meistens gut geht. Durch den Krankenhausaufenthalt im Februar wurden wir dann leider ein wenig an die Anfangszeit erinnert, weil wir gemerkt haben, dass es Feenja wirklich nicht gut ging. Das ging auch uns an die Nieren – insbesondere meiner Frau, die knapp zwei Wochen auf Isolation mit Feenja in der Klinik „eingesperrt“ war. An wiederkehrende Klinikaufenthalte werden wir uns aber wahrscheinlich gewöhnen müssen.

Aktuell geht es Feenja gut. Im Juni wird sie ein Jahr alt.
Aktuell geht es Feenja gut. Im Juni wird sie ein Jahr alt.

Sie sind ja schon in der Klinik auf den Mukoviszidose e.V. aufmerksam gemacht worden. Haben Sie schon Angebote des Vereins wahrgenommen?

Wir haben uns die aktuelle Ausgabe von „Unser Kind hat Mukoviszidose“ bestellt – die ältere Variante wird in der Verwandtschaft weitergereicht. Die beigelegten Anstecknadeln trage ich bei der Arbeit. Auf der Internetseite können wir viele Informationen sammeln und sind dadurch auch auf die Schutzengel-Bäckerei aufmerksam geworden. Dadurch haben wir im Dezember hier in der Apotheke Plätzchen gegen Spenden verteilt. Dabei sind immerhin 500,-€ zusammengekommen. In Zukunft möchten wir uns auch am Mukoviszidose Monat Mai beteiligen – zum dann stattfindenden muko.move habe ich mich für 2023 bereits angemeldet., vielleicht kann ich bis dahin auch einige Arbeitskolleginnen dafür mit ins Boot holen.

Tauschen Sie sich mit anderen Eltern aus? Wenn ja, wie?

Nicht dauerhaft, aber wir sind dafür offen. Ich glaube auf jeden Fall, dass das von Vorteil sein könnte. Beim letzten Klinikaufenthalt wurde durch eine Stationsschwester der Kontakt zu einer anderen Familie mit Mukoviszidose-Kind, die zeitgleich im Krankenhaus waren, geknüpft. Wir, bzw. insbesondere meine Frau ist außerdem in den Mukoviszidose-Gruppen auf Sozialen Medien aktiv.

Was wünschen Sie sich für Ihr Kind?

Ein halbwegs normales Leben. Ich hoffe, dass sie später mit anderen Kindern möglichst viel wird mitmachen können. Dass sie sportlich aktiv sein darf und dass die Medikamente, die sie dann hoffentlich ab zwei Jahren nehmen darf, auch bei ihr anschlagen.

Das Interview führte Juliane Tiedt.

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Zuletzt aktualisiert: 02.01.2024
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