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„Heute ist das Inhalieren für uns wie Zähneputzen“

Als bei ihrer Tochter Lili-Marie Mukoviszidose diagnostiziert wurde, brach für Lena zunächst eine Welt zusammen. Im Interview erzählt uns die junge Mutter, wie die Familie es geschafft hat, den Blick wieder nach vorne zu richten und warum es ihr wichtig ist, sich selbst im Kampf gegen die Krankheit zu engagieren. Das Interview ist Teil der Aktion „Erzähl Deine Diagnose-Geschichte“ im Mukoviszidose Monat Mai.

Bei Lenas Tochter Lili-Marie wurde kurz nach der Geburt Mukoviszidose festgestellt. Jetzt gehört Inhalieren zum Alltag.
Bei Lenas Tochter Lili-Marie wurde kurz nach der Geburt Mukoviszidose festgestellt. Jetzt gehört Inhalieren zum Alltag.

Ihre Tochter Lili-Marie wurde 2021 geboren. Wie alt war sie, als Mukoviszidose bei ihr diagnostiziert wurde?

Sie war zwei Monate alt. Bereits im Januar, als sie wenige Wochen alt war, rief uns die Kinderklinik an. Bis zum Ergebnis dauerte es jedoch noch. 

Wie haben Sie die Zeit bis zur Diagnosestellung empfunden und was waren Ihre Gedanken, als diese endgültig feststand?

Als schlimmste Zeit! Es war furchtbar nicht zu wissen, ob sie eine schwere Krankheit hat oder nicht. Wir mussten tatsächlich sechs Wochen auf den Gentest warten. Zuvor hatten zwei Schweißtests nicht funktioniert. Lili produzierte zu wenig Schweiß. In der Stuhlprobe sah man allerdings schon, dass eine Bauchspeicheldrüseninsuffizienz vorliegt. Trotzdem fehlte die Diagnose.  Wir haben täglich nach Anzeichen gesucht, uns gefragt, ob es dann die große Schwester auch hat. Außerdem wussten wir bereits, dass es für manche Kombinationen Modulatoren gibt und für andere nicht. Als die Diagnose kam, waren wir natürlich sehr betroffen. Wir waren aber auch erleichtert, dass es gute Medikamente für sie gibt, mit denen wir Lili mit ihrer Krankheit helfen können. Ohne Kreon hatte sie pro Woche maximal 70 Gramm zugenommen. Als sie zum ersten Mal Kreon bekam, steigerte sich dies auf 300 Gramm in einer Woche. Das gab uns Mut. 

Wie haben Sie sich in der Zeit unmittelbar nach der Diagnose als Familie gestärkt? Haben Sie z.B. Unterstützung durch die Mitarbeitenden in der Ambulanz in Erlangen erhalten und/oder aus dem Familien- und Freundeskreis?

Eine große Hilfe war definitiv unser soziales Umfeld, unsere Eltern und Freunde. Aber natürlich waren diese auch sehr betroffen und traurig. Die Ambulanz in Erlangen hat uns da aber sehr gut aufgefangen. Sie haben uns Infomaterial mitgegeben, waren für Fragen immer erreichbar. Sie haben uns im Bereich Hygiene geschult und ein Gespräch mit einer Psychologin organisiert. Auch die Physiotherapeutin hat uns mit ihrer herzlichen Art das tägliche Inhalieren beigebracht.  Heute ist das für uns tatsächlich schon wie Zähneputzen. Enorm geholfen hat auch, dass wir schon eine Tochter mit vier Jahren haben. Für sie mussten wir auch nach der Diagnose funktionieren! Wir haben versucht, trotz dieses Schicksalsschlags auch die Zeit als Familie zu genießen. Wir waren zum Beispiel in der gemeinsamen Elternzeit campen. Wir wollen unseren Kindern ein positives Lebensgefühl mit auf den Weg geben – das lassen wir uns auch durch die Mukoviszidose nicht nehmen! 

Kleinkind mit Medikamentenfläschchen und Löffel: Als Lili-Marie nach der Diagnose Verdauungsenzyme bekam, nahm sie viel besser zu.
Als Lili-Marie nach der Diagnose Verdauungsenzyme bekam, nahm sie viel besser zu.

Mukoviszidose ist eine komplexe Multiorgankrankheit mit zeitaufwendigen Therapiemaßnahmen. Hat Ihnen Ihre Ausbildung als Journalistin dabei geholfen, sich schnell in die für Sie neue Thematik einzuarbeiten? Wo haben Sie sich informiert?

Als ich erfahren habe, dass unsere Tochter Mukoviszidose hat, ist für mich erstmal eine Welt zusammengebrochen.  Ich wusste sehr wenig über die Krankheit und hatte große Ängste um sie. Es tauchten viele Fragen auf: Wie alt kann sie damit werden? Was bedeutet das für uns als vierköpfige Familie? 

Ich habe direkt online nach Antworten gesucht. Ich schätze schon, dass mir mein beruflicher Hintergrund geholfen hat, seriöse Quellen ausfindig zu machen. Viele Nachrichten im Internet sind hinsichtlich der Mukoviszidose auch veraltet. Relativ schnell bin ich auf den Mukoviszidose e.V. aufmerksam geworden und konnte dort viele meiner Fragen klären.  Außerdem macht es mir Mut, immer wieder positive Erfahrungen von anderen Menschen mit der Krankheit zu lesen, z.B. auf dem Blog oder Instagram. Zu jedem Ambulanz Termin nehme ich außerdem immer neue Fragen mit, die ich unseren Ärztinnen stelle. 

Sie haben in diesem Jahr (2022) das Neudiagnose-Seminar des Mukoviszidose e.V. besucht. Haben Ihnen die darin vermittelten Informationen und der Kontakt zu anderen betroffenen Eltern für Ihr gemeinsames Leben mit der Krankheit geholfen? Was davon ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Beim Neudiagnose-Seminar haben sich mehrere junge Erwachsene mit CF sowie eine Familie mit einem Kind mit CF vorgestellt. Sie haben von ihrem Leben mit der Krankheit berichtet und alle immer wieder betont, dass sie trotz der Mukoviszidose ein schönes Leben führen.  Das gibt viel Kraft und Mut. 

Wie geht es Lili-Marie heute? Hat Sie einen leichten oder schwierigeren Krankheitsverlauf? Welche Symptomatik ist bei ihr am meisten ausgeprägt und fällt es Ihnen als Familie leicht, ihre Therapie in Ihren gemeinsamen Alltag zu integrieren?

Bisher hat Lili-Marie vor allem mit Bauchschmerzen zu kämpfen. Sie hat eine schwere Pankreasinsuffizienz. Mit abführenden Medikamenten sowie Kreon haben wir das aktuell in den Griff bekommen. Durch die Kita und ihre große Schwester kommen nun natürlich in der Winterzeit auch die ersten Atemwegsinfekte hinzu. Hier merken wir schon einen deutlichen Unterschied zu ihrer gesunden Schwester.  Aber mit Unterstützung der Ambulanz haben wir das bisher alles gut Zuhause behandelt. Wir hoffen, dass es Lili-Marie weiterhin so gut geht. 

Kein halbes Jahr nach Lilis Geburt haben Sie an der muko.move-Bewegungsaktion des Mukoviszidose e.V. teilgenommen, die sich zum Ziel gesetzt hat, auf die seltene Generkrankung Mukoviszidose aufmerksam zu machen. Was hat Sie dazu „bewegt“ den Schritt nach vorne zu gehen und selbst aktiv auf die Krankheit aufmerksam zu machen?

Lili-Marie am Strand: Hilfe fand die Familie auch durch das Neudiagnose-Seminar des Mukoviszidose e.V.
Hilfe fand die Familie auch durch das Neudiagnose-Seminar des Mukoviszidose e.V.

Ich hatte das Gefühl etwas tun zu können! Gerade nach der Diagnose habe ich mich der Krankheit oft ausgeliefert gefühlt. Ich finde es wichtig, auf die Mukoviszidose aufmerksam zu machen. Aufmerksamkeit führt zu mehr Bewusstsein, zu mehr Spenden, Forschung, politischem Interesse. Daher finde ich auch die Aktionen des Mukoviszidose e.V. und das Engagement enorm wichtig.  Vielleicht kann Mukoviszidose eines Tages auch geheilt werden.

Derzeit läuft bei Ihrer Tochter die Kita-Eingewöhnung. Haben Sie da schon Gespräche mit den Erzieherinnen geführt? Falls ja, war bei denen schon Wissen in Bezug auf die Krankheit vorhanden? Konnten Sie auf Hilfsmittel des Mukoviszidose e.V. zurückgreifen?

Nein, tatsächlich kannten die Erzieherinnen die Krankheit nicht. Ich habe Informationsmaterial vom Mukoviszidose e.V., insbesondere den Kita-Flyer, mitgenommen und betont, was uns davon besonders wichtig ist. Die Erzieherinnen stellen viele Fragen und sind nach kurzer Zeit eigentlich sicher im Umgang, z.B. mit der Kreongabe. Ich hoffe, so toll geht es weiter. 

Das Interview führte Marc Taistra.

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Zuletzt aktualisiert: 02.01.2024
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