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Antibiotika-Allergien bei Mukoviszidose im Fokus – Interview mit Dr. Jobst Röhmel

Viele Mukoviszidose-Patienten leiden an Antibiotika-Allergien. In einem Projekt, das vom Mukoviszidose e.V. mit 95.000 Euro gefördert wird, untersucht Dr. Jobst Röhmel, Charité – Universitätsmedizin Berlin, ob man für betroffene Patienten mittels eines Allergietests vorhersagen kann, ob ein Antibiotikum weiterhin allergische Reaktionen verursacht. Wir haben mit ihm gesprochen und ihn zu seinem Projekt, seinen Erwartungen an die Ergebnisse und seiner Motivation befragt.

Dr. Jobst Röhmel, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Projektleiter

Dr. Jobst Röhmel, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Projektleiter

Lieber Herr Dr. Röhmel, was ist das Ziel Ihres Projektes?

Das hauptsächliche Ziel ist es, zu erforschen, wie das Wiederholungsrisiko für Antibiotika-Unverträglichkeiten bzw. -Allergien bei Patienten mit Mukoviszidose ist. Dafür möchten wir herausfinden, ob es möglich ist, das Wiederholungsrisiko einer allergischen Reaktion durch eine Messung spezifischer Abwehrzellen in einer Blutprobe, dem sogenannten Lymphozytentransformationstest, vorherzusagen. So könnte ein geeigneter Allergietest für diese Problematik etabliert werden, der vorhersagen kann, ob man einem Patienten ein bestimmtes Medikament trotz einer vorhergegangenen allergischen Reaktion wieder sicher verabreichen kann oder nicht.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, allergische Reaktionen auf Antibiotika zu untersuchen?

Dieses Thema interessiert mich schon lange. Das fing mit meiner Doktorarbeit an. Zunächst war das ein rein klinisches Projekt. Wir sind ein Zentrum, das auch Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung behandelt. Wir haben festgestellt, dass wir in unseren Behandlungsmöglichkeiten sehr häufig limitiert sind, weil die Patienten für mehrere Antibiotika Allergien angeben. Wir haben uns also aufgrund der klinischen Notwendigkeit mit dem Thema beschäftigt.

Das Projekt, das der Mukoviszidose e.V. jetzt finanziert, ist ein Folgeprojekt von verschiedenen Vorprojekten: Zunächst haben wir das Phänomen der Antibiotika-Allergien hier bei uns in der Klinik analysiert und ausgewertet, wie oft das vorkommt und welche Patienten und Antibiotika besonders häufig betroffen sind.

Die Folge daraus war, dass wir uns überlegt haben, ob es messbare immunologische Biomarker gibt, die auf eine vorliegende Antibiotika-Allergie hinweisen. Parallel haben auch andere Arbeitsgruppen angefangen, zu dem Thema zu arbeiten – besonders eine Arbeitsgruppe an der Universität in Liverpool. Dabei kam heraus, dass es sich bei den Antibiotika-Allergien bei Mukoviszidose häufig nicht um sogenannte IgE[1]-vermittelte Allergien handelt. IgE-vermittelte Allergien sind die gefürchteten Reaktionen. So sind zum Beispiel auch Pollen- oder Insektenallergien IgE-vermittelt. Bei den von uns untersuchten Allergien handelt es sich vielmehr meist um sogenannte Typ-IV-Allergien, also um Allergien, die durch die Vermehrung und Aktivierung spezifischer Abwehrzellen (T-Zellen) ausgelöst werden.

Genau das konnten wir in einer eigenen Untersuchung auch zeigen, indem wir bei einem Teil unserer Patienten untersucht haben, ob die typischen und für das Antibiotikum spezifischen Abwehrzellen nach Kontakt mit dem Antibiotikum vermehrt gebildet werden (lymophozytäre Sensibilisierung). Das traf auf viele der untersuchten Patienten zu. Und hat uns darin bestätigt, dass wir die Immunantwort, die für einen Teil der Reaktionen verantwortlich ist, messen können, wenn man die Vermehrung der spezifischen Abwehrzellen aus Blutproben messen kann. So ist das jetzt laufende Projekt entstanden.

Warum ist das bei Mukoviszidose relevant?

Bei Mukoviszidose ist das Phänomen der Antibiotika-Unverträglichkeit viel häufiger als bei anderen Patientengruppen. Das war auch das Ergebnis von mehreren Studien. Eine davon habe ich selbst durchgeführt und 2014 im Journal of Cystic Fibrosis veröffentlicht. Bei uns waren es etwa 60 Prozent der Mukoviszidose-Patienten, die mindestens ein Medikament aufgrund einer vorherigen Reaktion darauf nicht mehr bekamen. Und auch in anderen Untersuchungen wurden ähnlich hohe Quoten gefunden.

Patienten mit Mukoviszidose sind für ihre Lebenserwartung und Lebensqualität davon abhängig, dass sie Antibiotika und besonders parenterale, gegen Pseudomonas wirksame Antibiotika bekommen. Und deswegen ist dieses Projekt so wichtig, da sonst Patienten – meiner Meinung nach – Lebensjahre verlieren können, wenn ihnen Antibiotika vorenthalten werden, da man nicht klar sagen kann, ob sie diese Medikamente jetzt vertragen oder nicht.

Es wird ja im Moment viel von den CFTR-Modulatoren geredet. Dazu wird auch sehr viel geforscht und das finde ich sehr wichtig und interessant. Diese Medikamente werden vielleicht dazu führen, dass es vor allem mehr ältere Patienten geben wird. Diese werden über die Jahre aber sicherlich immer wieder ein Antibiotikum brauchen, um bakterielle Infektionen zu bekämpfen. Deswegen glaube ich, dass die Antibiotika-Unverträglichkeiten auch weiterhin eine hohe Relevanz haben werden.

Wie läuft Ihre Studie konkret ab?

Es nehmen Patienten teil, die eine IV[2]-Therapie benötigen, also entweder als Routinetherapie oder aufgrund von pulmonalen Exazerbationen[3]. Wir sprechen diese Patienten an, ob sie an der Studie teilnehmen möchten. Das Haupt-Einschlusskriterium ist, dass die Patienten mindestens gegen ein relevantes Antibiotikum vorher eine allergische Reaktion gezeigt haben und dieses Antibiotika aufgrund dessen nicht mehr bekommen.

Wir klären die Patienten dann auf und führen aus Sicherheitsgründen Hauttests durch – sowohl einen sogenannten Pricktest[4] als auch einen Intrakutantest. So prüfen wir auf eine IgE-vermittelte Sensibilisierung, denn diese wäre definitiv ein Grund dafür, das Antibiotikum nicht mehr zu verabreichen. Es gibt noch andere Ausschlusskriterien, zum Beispiel, wenn die getesteten Patienten schwerste Hautreaktionen z.B. mit Blasenbildung oder Schleimhautbeteiligung in der Vergangenheit hatten. Auch dann würden wir die Patienten nicht in die Studie mit aufnehmen. Aber wenn die Patienten in der Vergangenheit beispielweise Reaktionen wie Medikamentenfieber, Hautausschläge, Engegefühl in der Lunge oder Gelenkbeschwerden hatten, dann würden wir die Patienten einschließen.

Die Patienten, die in die Studie eingeschlossen wurden, erhalten dann ihre reguläre Behandlung mit einem Antibiotikum, das sie vorher wegen einer allergischen Reaktion nicht mehr erhalten hatten. Parallel nehmen wir Blutproben und arbeiten diese auf, so dass die Lymphozyten vom Rest der Blutbestandteile getrennt werden. Diese werden kryokonserviert[5] und zu unserem Kooperationspartner Prof. Dr Dean Naisbitt, Molecular and Clinical Pharmacology der Universität Liverpool, geschickt. Dort werden die Proben untersucht und anhand des Lymphozytentranformationstests festgestellt, ob die Patienten sensibilisiert sind, d. h. möglicherweise auf das Antibiotikum allergisch reagieren würden. Die anschließende Behandlung der Patienten erfolgt stationär bei uns in der Klinik und dementsprechend werden die Patienten engmaschig überwacht.

Welche Ergebnisse erwarten Sie?

Ich erwarte, dass ein Teil der Patienten gar nicht mehr auf die Antibiotika reagiert und dass andere doch reagieren. Die spannende Frage ist, ob wir das mit den Labortests zeigen können. Mein Hauptziel ist, dass wir am Ende sagen können, dass die Patienten bei einem negativen Lymphozytentransformationstest auch wirklich nicht auf das Antibiotikum reagieren. So könnten wir vorhersagen, auf welche Wirkstoffe die Patienten wirklich reagieren und auf welche nicht. Das möchte ich mit der Studie erreichen. Ein großer Erfolg wäre schon, wenn wir Wahrscheinlichkeiten für erneute Reaktion ausrechnen könnten, d.h. bei einem negativen Lymphozytentransformationstest habe ich zum Beispiel eine 90-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass der Patient das Medikament auch verträgt. Eine solche Untersuchung ist bislang noch nicht durchgeführt worden. So könnte man eventuell einen Biomarker für Antibiotika-Allergien etablieren.

Wie und wann können Ihre Ergebnisse in die Behandlung bei Mukoviszidose einfließen?

Eigentlich fließen die Ergebnisse ja schon während der Studie in die Behandlung ein – für die Patienten, die daran teilnehmen. Eine direkte positive Konsequenz ist, dass Patienten, die teilnehmen, jetzt Antibiotika erhalten, die sie vorher nicht mehr bekommen haben.

Welche Mukoviszidose-Patienten können von den Ergebnissen profitieren?

Alle, die IV-Antibiotika benötigen und einen Allergieverdacht haben. Das ist ein großer Teil der Patienten.

Sind die Ergebnisse auch für andere Erkrankungen relevant?

Dass Patienten mit Mukoviszidose häufig parenterale Antibiotika erhalten und Allergien entwickeln, liegt an der chronischen Pseudomonas-Infektion. Es gibt auch andere Krankheiten, bei denen chronische Pseudomonas-Infektionen auftreten, zum Beispiel bei der Primären Ziliendyskinesie[6] oder bei COPD. Diese Patienten brauchen ebenfalls häufig Antibiotika. Unsere Erkenntnisse kann man dann sicherlich auch auf diese Gruppe übertragen.

Allerdings geht man davon aus, dass diese besonders hohe Rate von Antibiotika-Unverträglichkeiten tatsächlich auch mit der CF einhergeht, aber woran genau das liegt, weiß man bislang noch nicht.

Haben Sie sich bewusst für die Mukoviszidose-Forschung entschieden?

Ja, das habe ich. Im Studium habe ich in Montreal ein Praktikum in der Pneumologie gemacht. Dort hatte ich den ersten Kontakt zu Patienten mit COPD, Tuberkulose, aber eben auch mit Mukoviszidose. Ich fand das sehr spannend. Meine Doktorarbeit habe ich dann 2010 zum Thema Antibiotika-Allergien im Bereich Mukoviszidose geschrieben. Mir war klar, dass mich das Thema interessiert und dass es damit weitergehen soll. Ich mag das Setting, ich mag die Patienten, ich mag die Kollegen. Ich wusste daher schon früh, dass ich meine berufliche Zukunft im Bereich Mukoviszidose sehe.

Was motiviert Sie, zur Mukoviszidose zu forschen?

Bei meiner klinischen Arbeit begegnen mir regelmäßig Patienten, denen wir heute deutlich besser helfen können als noch vor zehn Jahren, denen man aber andererseits noch nicht genug helfen kann. Wenn ich heute Patienten sehe, die in meinem Alter sind und schwerwiegende Gesundheitsprobleme haben, habe ich das Gefühl, dass ich daran etwas ändern muss. Das ist mein Hauptantrieb.

Mit Dr. Jobst Röhmel sprach Juliane Tiedt.

Zur Info:
Patienten die unter Antibiotika-Allergien leiden und Interesse an der Studie haben sind herzlich willkommen uns zu kontaktieren (jobst.roehmel@charite.de). Wir können nach Rücksprache mit den behandelnden CF-Ärztinnen und CF-Ärzten auch Patienten aus anderen Zentren in die oben beschriebene Studie aufnehmen.

 

Die Forschungsförderung des Mukoviszidose e.V.

Mikroskop. Symbolbild. Quelle: Thinkstock

Mikroskop. Symbolbild. Quelle: Thinkstock

Was sind unsere Ziele? Die Forschungsförderung soll helfen, Forschergruppen für Mukoviszidose zu interessieren und dabei zu unterstützen, wichtige Fragestellungen zu der Erkrankung zu bearbeiten und neue Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie zu entwickeln. Langfristig soll so das Leben der Betroffenen verbessert werden.

Welche Art Projekte fördern wir? Wir fördern Forschungsprojekte, deren Ergebnisse eine Anwendungsperspektive für die Versorgung von Mukoviszidose-Patienten erkennen lässt. Die Forschungsprojekte müssen von hoher wissenschaftlicher Qualität sein und durch die Antragsteller realisierbar sein. Nur Forschungsprojekte, die in einem Begutachtungsverfahren durch internationale Experten, den Vorstand der Forschungsgemeinschaft Mukoviszidose (FGM) und durch Patientenvertreter den oben genannten Kriterien standhalten, können gefördert werden.

Welche Möglichkeiten der Förderung gibt es? Grundsätzlich bieten wir die Projektförderung und die Nachwuchsförderung an. Um Fragestellungen mit kleinerem finanziellen und zeitlichen Umfang kurzfristig bearbeiten zu können, gibt es zusätzlich die Förderung von Kleinprojekten. Das Auswahlverfahren ist bei Kleinprojekten zeitlich verkürzt. Im Rahmen der Nachwuchsförderung unterstützt der Mukoviszidose e.V. engagierte Nachwuchswissenschaftler, die in einer geeigneten Arbeitsgruppe ein CF-relevantes Thema bearbeiten und sich langfristig auf dem Gebiet der Mukoviszidose Forschung etablieren möchten.

Weitere Informationen zur Forschungsförderung durch den Mukoviszidose e.V.

[1] Immunglobulin E (IgE), Antikörper zur Abwehr von Parasiten, der auch für Allergien verantwortlich ist.

[2] intravenöse Antibiotika-Therapie

[3] akute Verschlechterungen der Lunge

[4] der Pricktest dient zum Nachweis von sogenannten Typ-1-Allergien

[5] eingefroren

[6] Seltene angeborene Erkrankung der Atemwege

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Zuletzt aktualisiert: 02.01.2024
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