Wann wurde bei Dir Mukoviszidose diagnostiziert?
Mukoviszidose wurde bei mir mit zwei Jahren, also 1991 diagnostiziert. Meinen Eltern war das eigentlich schon früher klar. Denn einer meiner Brüder – ich bin die Viertgeborene in der Familie – hatte auch Mukoviszidose, ist aber leider schon mit drei Monaten daran gestorben. Aus diesem Grund haben meine Eltern die Diagnose auch etwas herausgezögert, denn sie hatten Angst, dass auch ich sterben könnte.
Wie war Dein Krankheitsverlauf in Deiner Kindheit?
Mir ging es in meiner Kindheit schlechter als heute. Ich hatte vor allem Probleme mit der Lunge. Natürlich habe ich auch Kreon genommen, aber die Lunge war die größte Baustelle. Bis zu meinem siebten Lebensjahr war es wirklich schlimm. Dann habe ich die erste IV-Therapie bekommen. Meine Eltern haben zu diesem Zeitpunkt auch den Arzt gewechselt und ab dann ging es etwas bergauf. Ab da habe ich ein- bis zweimal im Jahr IV-Therapien bekommen und damit war mein Gesundheitszustand etwas stabiler. Davor hatte ich starkes Untergewicht und Asthma. Ich kann mich noch gut an meine ersten Schuljahre erinnern, in denen ich viel gebrochen habe, weil ich immer so verschleimt war. Das war für mich auch mit viel Scham verbunden, weil ich die anderen nicht wissen lassen wollte, dass ich krank bin. Besonders in Smog-Phasen, die es bei uns in der Nähe der Tschechischen Grenze nach der Wende noch öfter gab, ging es mir nicht gut.
Mit elf Jahren hatte ich eine ABPA, habe lange Zeit Cortison genommen, da ging es mir auch wieder schlechter. Und als die Pubertät kam, hatte ich auch erneut eine schlechtere Phase, weil da doch meine Therapie ein bisschen gelitten hat. Ich hatte selber weniger Bock darauf und meine Eltern konnten das dann auch weniger kontrollieren. Meine Eltern haben mir generell immer viel Freiheit gelassen, was ich schön fand, aber manchmal hätte es mit der Therapie sicherlich besser laufen können.
Und wie geht es Dir heute?
Seit 2020 nehme ich Kaftrio und bin seitdem recht stabil. Vorher gab es immer wieder gesundheitliche Einbrüche, wenn wieder ein neuer Infekt kam. Das gehörte dazu. Ich bin immer mit dem Bewusstsein aufgewachsen, mein Leben so zu genießen, wie es nur möglich ist. Durch Kaftrio wendet sich das. Man muss sich darüber Gedanken machen, wie lange das Leben noch gehen wird, ob man sich eventuell um die Rente kümmern muss - diese ganzen Fragen, die ein gesunder Mensch sowieso hat. Ich komme gut mit meiner Erkrankung klar, sie gehört zu mir. Aber es gibt auch immer Phasen, in denen ich mehr damit zu kämpfen habe. Ich habe Depressionen, auch länger schon. Aber im Großen und Ganzen geht es mir heute gut.
Wie sah Deine Therapie damals aus, wie ist sie heute?
Als ich aufgewachsen bin, gab es noch die Klopftherapie. Davor dann stundenlanges Inhalieren. Mit den alten Geräten hat das ja immer sehr lange gedauert. Meine ersten Physiotherapieerfahrungen waren auch, dass alle Kinder in Unterwäsche in einen großen Raum gesperrt und angeschrien wurden, wenn sie nicht richtig ausgeatmet hatten. Das sind meine frühesten Erinnerungen, bei denen ich auch das Schaudern bekomme. Mitte, Ende der 90-er Jahre hat sich das aber verbessert. Ich hatte dann eine ganz liebe Physiotherapeutin, bei der ich sehr lange war und bei der es wirklich schön war. IV-Therapien habe ich immer zuhause durchgeführt. Bis ich 14 Jahre alt war, hat meine Mutter das gemacht, danach habe ich das selbst übernommen. Heute finde ich es schon heftig, dass ich so früh diese Verantwortung bekommen habe.
Vom Jugend- bis zum Erwachsenenalter habe ich sehr viel inhalieren müssen. Phasenweise musste ich das dann sechs bis sieben Mal am Tag umsetzen, weil ich so verschleimt war. Das änderte sich mit den Modulatoren, ich habe erst Orkambi bekommen und dann Kaftrio. Ich inhaliere weiterhin, aber es ist längst nicht mehr so zeitaufwändig. Für mich ist Inhalieren auch eine Selbstpflege, aber es ist jetzt auch nur noch zwei- bis dreimal am Tag notwendig. Seit 2019 hatte ich auch keine Infusionstherapie mehr. Das finde ich ganz toll. Ich habe viel mehr Zeit als früher.
In welchem Alter hast Du angefangen, Dich künstlerisch zu betätigen?
Ich glaube, das fing schon an, als ich ganz klein war. Ich habe eine Sammlung von Bildern, da sind welche dabei, die ich mit drei oder vier Jahren gemalt habe. Ich habe das damals natürlich nicht so künstlerisch betrachtet, aber es gibt ein paar Zeichnungen, bei denen ich heute als Erwachsene schon denke, dass das nicht das Level einer Sechsjährigen war, vom Level der Abstraktion oder Farbwahl her. Ich habe mich wirklich schon immer gerne künstlerisch betätigt.
Meine Mutter hatte auch ein Kunststudium begonnen, allerdings nicht beendet. Sie hat mir da viel mitgegeben und mich begleitet. Ich erinnere mich noch daran, wie ich einmal mit gefärbten Eierschalen experimentiert habe und die in der Kaffeemühle gemahlen habe. Meine Eltern waren davon nicht begeistert.
Wie war Dein beruflicher Werdegang? Wolltest Du schon immer Künstlerin werden?
Mein Traumberuf war eigentlich immer Schauspielerin und ein bisschen ist es auch heute noch mein Traum. Ich habe mich das aber früher aufgrund meiner Kondition nicht getraut. Heute denke ich manchmal, ich hätte das trotzdem versuchen sollen.
Nach dem Realschulabschluss habe ich eine Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin gemacht, das ist eine Vorstufe des Grafikdesigns. Im Anschluss habe ich Textil-Kunst/ Textil-Design studiert und wollte eigentlich in den Design-Bereich. Aber während des Studiums habe ich gemerkt, dass ich total unangewandt arbeite, also wirklich ganz frei sein möchte und eigene künstlerische Ideen entwickele, ohne dass dabei ein Produkt entsteht. Ich habe dann auch ein Praktikum in der Ausstattung am Theater absolviert und ab dem Zeitpunkt war eigentlich klar, dass ich gar nicht anders kann, als in der Bildenden Kunst zu sein. Also habe ich noch ein Masterstudium Bildende Kunst angehängt. Zwischen Bachelor und Master bekam ich dann ein Stipendium vom Lindenau Museum in Altenburg. Das war mit einem dreimonatigen Aufenthalt in einem Künstlerdorf und einer eigenen Ausstellung in diesem Museum verbunden. Das war für mich wegbereitend. Ab dem Masterstudium gab es dann auch nichts Anderes als Kunst für mich.
Wird Deine Kunst auch durch die Mukoviszidose beeinflusst?
Die Mukoviszidose gehört zu mir und ist Teil meiner Identität. Ich kenne ein Leben ohne Mukoviszidose nicht und das fließt natürlich auch in meine Kunst ein. Für mich ist zum Beispiel die Körperlichkeit ein Thema. Bei mir ist es ja so, dass ich meinen Körper nach dem Aufstehen erst einmal lebensfähig machen muss durch die Therapie. Anderen chronisch Kranken geht es da sicherlich ähnlich. Gesunde haben das so nicht. Ich kann natürlich nicht genau sagen, was von meiner Kunst jetzt genau von der Mukoviszidose beeinflusst wurde, aber es wird sicherlich eine Rolle spielen.
Was bewirkt es in Dir, Kunst zu schaffen?
Ich hatte schon immer den Drang, mich auszudrücken, der Gesellschaft etwas zu hinterlassen, das ich geschaffen habe, aber wo das genau herkommt und wie das zustande kommt, ist total schwer zu verbalisieren. Ich sehe zum Beispiel Farben, Geräusche oder wie Menschen zusammenleben und habe das Gefühl, daraus etwas machen zu müssen. Das bestimmt auch die Haptik meiner Werke, die mir sehr wichtig ist. Ich häkele und stricke zum Beispiel auch, seit ich fünf Jahre alt bin. Es war einfach schon immer wichtig für mich, etwas mit den Händen zu erschaffen.
Was bedeutet ein Projekt wie das Fensterbild von Caspar David Friedrich an der Zahnklinik in Greifswald für Dich?
Das ist das größte Projekt, das ich bisher umgesetzt habe. Die Planungen dafür begannen schon im August 2022. Das Projekt war meine Idee und mein Mann hat mich dabei sehr unterstützt. Die Zahnklinik fand die Idee toll und dann habe ich auch die dafür beantragten Fördermittel bekommen, aber ich glaube, ich habe noch nie so viel gezweifelt wie bei diesem Vorhaben. Nach der Zusage wurden mir erst die Dimensionen der Gebäudefassade bewusst. Die Fenster im Erdgeschoss der Zahnklinik sind 3,79 m hoch und 1,60 m breit. Das sind Riesenflächen und ich habe 44 davon bemalt. Da habe ich mich schon gefragt, wie ich das als einzelne Person schaffen sollte. Zwischendrin wollte ich das Projekt schon absagen, aber ich bin jetzt umso glücklicher, dass ich es durchgezogen habe.
Ich habe das Projekt das ganze Jahr über umgesetzt. Zunächst entwarf ich das Motiv in kleinem Maßstab und fertigte anschließend Vorlagen auf Papier an, damit ich das in Originalgröße auf Folien malen konnte. In der Zeit musste ich privat und beruflich ungeplant umziehen, weil unser Haus kernsaniert wurde und damit auch mein Arbeitsraum wegfiel. Ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen konnte. Auf dem Weg zur Physiotherapie fahre ich immer an der Zahnklinik vorbei und denke jedes Mal: „Pauline, das ist einfach total Wahnsinn, dass Du das gemacht hast!“ So richtig kann ich das noch nicht mit mir verbinden.
Wie lange hast Du daran gearbeitet?
Es sind 44 bemalte Fenster und insgesamt 55 Teile. Gemalt habe ich daran vier Monate. Gemeinsam mit meinem Mann haben wir die Folien angebracht. Dafür arbeiteten wir zirka drei Wochen jeden Abend nach seinem Dienstschluss. Aber wie gesagt dauerte der gesamte Prozess von der ersten Idee bis zur Fertigstellung zwei Jahre.
Du hast bei der Vernissage auch Spenden für den Mukoviszidose e.V. gesammelt. Was war Deine Motivation dafür?
Das Catering wurde von der Universitätsmedizin Greifswald gespendet, Getränke hatte mein Mann gestiftet und dann habe ich mir gedacht, dass es doch schön wäre, dafür etwas Geld einzusammeln, nicht für mich, sondern für einen guten Zweck. Aus persönlicher Betroffenheit ist mir natürlich der Mukoviszidose e.V. eingefallen, weil das eine schöne Möglichkeit war, etwas zurückzugeben. Mir hilft das ja auch selbst weiter, wenn die Forschung voran geht und es neue Behandlungsmethoden gibt. Ich empfand das als einen schönen Anlass, auch Mukoviszidose als Krankheit und den Mukoviszidose e.V. etwas bekannter zu machen.
Hattest Du denn vorher schon Berührungspunkte zum Verein?
Ich bin schon länger selbst Mitglied und lese auch regelmäßig die Zeitschrift. Außerdem bin ich, seitdem ich in Greifswald lebe, im Austausch mit anderen Erkrankten, aber eine Veranstaltung hatte ich vorher noch nie gemacht, das war das erste Mal.
Hast Du schon neue Projekte geplant?
Am 29.11.2024 eröffnete eine Ausstellung mit einer weiteren Künstlerin in der Kölner Galerie Boddenberg. Im Sommer 2025 habe ich in Münster eine Einzelausstellung. Ebenfalls im nächsten Jahr stelle ich im Rahmen einer Gemeinschaftsausstellung zum Thema Archäologie und Kunst in Mecklenburg-Vorpommern aus. Das sind die Projekte, die bislang feststehen. Meistens kommen dann auch noch spontan weitere dazu. Nach diesem turbulenten Jahr bin ich aber auch froh, dass es auch mal etwas ruhiger ist.
Gibt es noch etwas, das Du gerne loswerden würdest?
Ich finde es immer gut, allen Menschen mitzugeben, dass man doch positiv in die Zukunft schauen sollte, auch angesichts dessen, was gerade überall so passiert. Ich fände es schön, wenn wir alle achtsamer miteinander umgehen und sich alle zugunsten der Gemeinschaft etwas zurücknehmen würden.
Vielen Dank.
Das Interview führte Juliane Tiedt.
Mehr zu Pauline Stopp findet Ihr auf ihrer Internetseite: www.paulinestopp.de
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