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Warum medizinische Leitlinien so wichtig sind

Moderne Medizin entwickelt sich rasant – besonders bei seltenen, komplexen Erkrankungen wie Mukoviszidose. Für Ärztinnen, Ärzte und andere Behandler ist es dabei eine große Herausforderung, den Überblick über das ständig wachsende Fachwissen zu behalten. Medizinische Leitlinien können hier für mehr Handlungssicherheit sorgen. Wie sie dies tun, wie eine Leitlinie entsteht und welche Rolle der Mukoviszidose e.V. dabei spielt, erklären wir im Blogbeitrag.

Medizinische Leitlinien sind Empfehlungen für Ärztinnen, Ärzte und andere Fachkräfte im Gesundheitswesen, wie Krankheiten erkannt, behandelt und begleitet werden sollten. Sie fassen das aktuelle medizinische Wissen zusammen und werden von Fachleuten, wissenschaftlichen Gesellschaften und Patientenvertretern gemeinsam entwickelt. Leitlinien sind kein starres Regelwerk und sie sind nicht rechtlich verbindlich. Behandler können davon abweichen, wenn es die individuelle Situation erfordert. Die unabhängige Website gesundheitsinformation.de, betrieben vom IQWiG, erklärt: „Leitlinien sollen sicherstellen, dass sich alle Beteiligten bei Diagnose und Behandlung an denselben, wissenschaftlich geprüften Informationen orientieren.“

Die Entwicklung von medizinischen Leitlinien in Deutschland wird von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) begleitet. Dabei wird streng darauf geachtet, dass keine finanziellen Interessen – zum Beispiel von Pharmafirmen – Einfluss auf den Inhalt haben. Stattdessen steht die medizinische Qualität im Fokus. 
 

Medizinisches Fachwissen wird ständig mehr

Das Wissen über den menschlichen Körper und über Krankheiten wächst rasant: Allein im Jahr 2024 wurden etwa 3.000 Fachartikel zu Mukoviszidose veröffentlicht. Selbst mit guter Ausbildung und regelmäßiger Fortbildung ist es für Behandler kaum möglich, immer alles im Blick zu haben. Leitlinien helfen , indem sie klare, praxisnahe Empfehlungen geben. So können Behandler auch bei komplexen Fällen wie CF schnell die richtige Entscheidung treffen. Das verbessert nicht nur die Qualität der Behandlung, sondern erhöht auch die Sicherheit für Menschen mit CF. 

Wie entsteht eine medizinische Leitlinie?

Leitlinien werden von interdisziplinären Teams aus Medizin, Wissenschaft und nicht zuletzt unter Patientenbeteiligung erarbeitet. Die Leitliniengruppen werden von den medizinischen Fachgesellschaften für jedes Thema individuell zusammengestellt. Die Teilnehmer der Leitlinie (meist 20-40 Personen) erarbeiten dann in Arbeitsgruppen konkrete Handlungsempfehlungen, basierend auf der Fachliteratur und der eigenen Expertise und Erfahrung. Unterstützt durch einen neutralen Moderator der AWMF wird ein Konsens herbeigeführt, wobei genau dokumentiert wird, wie stark dieser Konsens ist, wie hoch die Evidenz der Empfehlungen ist und durch welche Literatur die Empfehlung gestützt wird. Die Entwicklung einer Leitlinie dauert 2-5 Jahre, abhängig vom Thema und von der Stufe der Leitlinie. Je nach Tiefe der wissenschaftlichen Grundlage unterscheidet man vier Leitlinien-Typen:

 

Leitlinien-Stufensystematik (nach Stufenklassifikation nach Systematik | Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.)
S3 Evidenz- und Konsensusbasierte Leitlinie Repräsentatives Gremium, Systematische Recherche, Auswahl, Bewertung der Literatur, Strukturierte Konsensfindung
S2e Evidenzbasierte Leitlinie Systematische Recherche, Auswahl, Bewertung der Literatur
S2k Konsensusbasierte Leitlinie Repräsentatives Gremium, Strukturierte Konsensfindung
S1 Handlungsempfehlungen von Expertengruppen Konsensfindung in einem informellen Verfahren

Alle Leitlinien werden regelmäßig überarbeitet – in der Regel alle fünf Jahre – damit sie stets dem aktuellen Stand der Forschung entsprechen. Bei Themen, die einem schnellen Zuwachs an Information unterliegen, aktuell z.B. die Modulatortherapie, kann es auch eine kontinuierliche Überarbeitung geben („Living Guideline“). 
Seit 2008 setzt sich der Bundesverband Mukoviszidose e.V. dafür ein, dass solche Leitlinien entstehen – z. B. für die Diagnose der Mukoviszidose, Therapie der Pseudomonas-Infektion, für die Versorgung von Neugeborenen in den ersten Lebensjahren oder aktuell für die Modulatortherapie und für die Therapie des CF-Diabetes. Der Verein übernimmt dabei die Rolle der Fachgesellschaften bei der Leitlinienarbeit und organisiert zusammen mit dem medizinischen Koordinator die Zusammenarbeit der Leitliniengruppe, bewertet wissenschaftliche Literatur, stimmt sich mit der AWMF ab und sorgt am Ende für die Veröffentlichung in Fachzeitschriften und für die Patientenbeteiligung. Nicht zuletzt übernimmt der Verein auch die Finanzierung von z.B. der AWMF-Moderation, der Durchführung von Treffen zur Konsensusfindung oder der Bewertung von Literatur durch unabhängige Gutachter. 
 

Leitlinie Diabetes bei CF

Die Behandlung des Diabetes bei Mukoviszidose (CFRD, CF Related Diabetes) unterscheidet sich von anderen Diabetes-Typen. Nicht nur die Grunderkrankung CF hat einen direkten Einfluss auf die Therapie, auch die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und die spezielle Ernährung spielen eine Rolle. Nur sehr wenige Diabetologen in Deutschland betreuen Menschen mit Mukoviszidose und Diabetes (aktuell sind deutschlandweit ca. 32% der Erwachsenen mit CF davon betroffen) und kennen deren besondere Bedürfnisse. Deshalb hat sich der Bundesverband Mukoviszidose e.V. des Themas angenommen und arbeitet aktuell mit einer Gruppe von 20 Experten (CF-Ärzte, Diabetologen, Ernährungsmediziner und Diabetesberater, CF-Patientin) an der Entwicklung einer Leitlinie zum CF-Diabetes. 

Leitlinie CFTR-Modulatortherapie

In Deutschland wurden laut Deutschem Mukoviszidose Register bereits 2023 83% der Erwachsenen und 64% der Kinder und Jugendlichen mit Mukoviszidose mit einer Modulatortherapie versorgt. Die Modulatortherapie ist ein völlig neuer Ansatz der Therapie, deren Zusammenspiel mit anderen CF-Therapien noch nicht gänzlich geklärt ist. Auch für welche Patientengruppen die Modulatortherapie in Frage kommt, wie man einen Therapieerfolg misst und andere Fragen adressiert die Leitlinie zur Modulatortherapie. Dabei ist die Entwicklung zu Modulatortherapien rasant: es vergeht kein Jahr ohne neue Zulassungen oder Zulassungserweiterungen für jüngere Kinder oder weitere Patientengruppen. Deshalb wird die Modulator-Leitlinie als „Living Guideline“ entwickelt, um im Fall von neuen Entwicklungen gleich auch neue Empfehlungen bereit stellen zu können.

Leitlinien für gute Qualität in der Versorgung

Eine gute Leitlinie ist auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft, und ihre Empfehlungen lassen sich im medizinischen Alltag umsetzen. Leitlinien tragen daher dazu bei, die gute Qualität in der Versorgung zu erhalten. Die Qualität der Versorgung für Menschen mit CF ist ein Ziel des Mukoviszidose e.V., das der Verein auch mit den Projekten der Zertifizierung von CF-Einrichtungen und dem Deutschen Mukoviszidose-Register verfolgt. 

Fazit: Leitlinien stärken die Versorgung – gerade bei komplexen Erkrankungen. 
Und: Es lohnt sich auch für Menschen mit CF, mal in die Leitlinien reinzuschauen und mit dem Arzt darüber zu sprechen, wie die Leitlinie bei der eigenen Behandlung Anwendung findet. 

 

Internationale Leitlinien zu CF

Medizinische Leitlinien sind keine deutsche Erfindung, es gibt sie in vielen Ländern und sie werden auch international genutzt, wobei nicht alle Empfehlungen übertragbar sind (z.B. weil manche Medikamente nicht in allen Ländern zugelassen sind). 
Die Leitlinien finden sich auf unserer Leitlinienseite (Link dazu siehe unten)
 

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Zuletzt aktualisiert: 04.09.2025