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Julia hat ein neues Leben geschenkt bekommen – ihre Transplantationsgeschichte

Fünf Jahre ist es her, dass Julia eine Spenderlunge bekam – nach fünf langen Jahren Wartezeit. In diesem Blogbeitrag erzählt sie uns ihre Geschichte: Wie sie die Wartezeit erlebt hat, wie die Operation verlaufen ist, wie ihr neues Leben ohne Husten begann und wie es ihr heute geht. Damit möchte sie anderen Mut machen, denn sie findet, dass es viel zu wenige positive Krankheitsgeschichten gibt.

Mein Name ist Julia, wobei mich die Meisten unter „Jule“ kennen. Ich lebe in Leipzig und habe diesen Sommer dankbar meinen fünften Lungengeburtstag gefeiert. Dieser Tag ist tatsächlich ein zweiter Geburtstag, der bei uns auch genauso gefeiert wird. 2018 wurde ich nach fünf Jahren Wartezeit endlich transplantiert.

Wie für viele CF-ler*innen ist eine Transplantation oft der letzte Therapieweg und viele wissen nicht, ob sie diesen Weg wagen sollen. Ganz verschiedene Ängste spielen hier eine Rolle. Immer wieder liest man von den negativen Aspekten einer Transplantation oder von den ganzen Beschwerden und Begleiterkrankungen, die transplantierte Patient*innen haben können. Auch Ärzt*innen klären oft nur über die Dinge auf, die danach nicht so rosig sein können und der Satz „Du tauschst den einen Sack Flöhe gegen einen anderen Sack Flöhe aus“ habe ich nicht nur einmal gehört. Ich persönlich kann diesen Spruch nicht unterschreiben. Klar habe ich „Wehwehchen“, die ich vor der OP nicht hatte und mich in meinem Alltag immer wieder ausbremsen. Aber: Ich lebe und es ist ein sehr lebenswertes Leben, das mir komplett neue Türen öffnet.

Als mein Arzt mir und meiner Familie damals mitteilte, dass nur noch eine Transplantation mein Leben retten kann, war das ein schlimmer Moment für uns alle. Natürlich wussten wir längst Bescheid. Aber diese Nachricht ausgesprochen von meinem Arzt zu hören, der mich seit meiner Geburt kennt, war doch nochmal ein ganz anderes Gefühl.

Wie so oft im Leben hat alles Negative auch etwas Positives. Ich witterte also meine Chance und nutzte die traurige Stimmung, um meine Mutter endlich zu überreden, dass wir uns endlich eine Katze anschaffen sollten! Was soll ich sagen, wenige Wochen später bereicherte die kleine Amy mein Leben und alle waren von dem flauschigen Britisch Kurzhaar Kätzchen entzückt.

Fünf Jahren Wartezeit mit Optimismus begegnet

Meine Familie und auch meine Freunde haben mich von Anfang an unterstützt und mir bei diesem langen, oft anstrengenden und nervigen Weg der Listung geholfen. Allen war klar, dass es ein positives Ende nehmen wird, wenn es soweit ist. Diesen Optimismus habe ich in den fünf langen Jahren nie verloren und diese positive Grundeinstellung hilft uns allen bis heute.

Zweifel, ob oder inwieweit die OP nicht klappen könnte, hatte ich dank der Unterstützung meiner Freunde & Familie keine und stand so zu 100% hinter dieser Entscheidung. Allerdings war meine Geduld während der langen Wartezeit oft am Ende. Wenn wieder drei Monate vergangen waren und ich zum Check-Up in die Klinik musste, um erneut gelistet zu werden, war es jedes Mal ein kleiner Kampf. Die langen Jahre waren ein ständiges Auf und Ab. Alle vier Wochen habe ich eine IV-Therapie (intravenöse Antibiotika-Therapie) erhalten – anfangs noch im Krankenhaus, später komplett zu Hause. Irgendwann wurde die IV ebenso zur Routine, wie die Inhalation 10x am Tag.

Während der Wartezeit begann Julia eine Ausbildung

Zum Positiv sein gehörte auch der Blick nach vorn. Mitten in der Wartezeit habe ich mich dazu entschieden, doch noch eine Ausbildung zu beginnen. Da mein Tag nur aus Inhalieren, Physiotherapie und Fernsehschauen bestand, fehlte etwas geistig Sinnhaftes. Meine Highlights am Tag waren „Rote Rosen“ und „Sturm der Liebe“ zu schauen. Nicht das, was eine Anfang 20-Jährige normalerweise tut. Meine Großeltern fanden es allerdings gar nicht so schlecht, denn so konnten wir Tag für Tag über die neuesten Intrigen und Liebeleien der beiden Soaps fachsimpeln. 

Vor der Ausbildung ging es also nicht nur mit meiner Lunge Berg ab, sondern auch langsam mit meinem Gehirn. Ich habe tatsächlich einen Ausbildungsplatz bekommen und habe sogar das große Glück einen sehr netten und verständnisvollen Chef bekommen zu haben. Er hat es mir ermöglicht, die Ausbildung mit reduzierter Stundenanzahl anzutreten. Er wusste von Anfang an Bescheid, dass jederzeit der Anruf kommen kann und, dass ich mit Sicherheit oft fehlen würde. Ein toller Chef – dem ich dafür sehr dankbar bin.

Wie schon oben beschrieben, glaube ich fest daran, dass der lange Weg vor und nach der Transplantation durch die Unterstützung von den lieben Menschen drum herum leichter werden kann.

Die Ausbildung zum Groß- und Außenhandelsmanagement hat mir Spaß gemacht, war aber auch sehr anstrengend für mich. Mein Körper musste regelmäßig ganz schön kämpfen und mein Gehirn musste erstmal wieder wach werden. Alle Kolleg*innen haben Rücksicht genommen, mir Zeit zum Inhalieren und Husten gegeben. Denn gehustet habe ich damals gefühlt 20h am Tag. Dass das nach der Transplantation aufhören sollte, war für mich unvorstellbar, aber auch mit mein größter Wunsch. 

Der Anruf kommt

Nach ca. 1,5 Jahren Ausbildung kam dann tatsächlich DER Anruf und es ging los!

Morgens um 5 Uhr habe ich dann erstmal in Ruhe meine Amy geknuddelt, denn ich wusste, dass die Ruhe vorbei ist, wenn ich meine Mutter mit dieser Nachricht wecke. Nach drei weiteren Telefonaten mit dem Transplantationszentrum hatten sie endlich einen Rettungswagen gefunden, der mich aus unserer kleinen Stadt an der Elbe mitten in Sachsen-Anhalt abholen kann. Die Katze wurde zu meinen Großeltern gebracht, meine Tante holte meine beste Freundin ab und auch mein Vater saß bereits im Auto. Nun waren alle auf dem Weg und meine Finger glühten am Handy, als ich im Krankenwagen saß, weil ich natürlich jedem Bescheid geben musste. 

Die Daumen waren also gedrückt und die Hoffnung war groß, dass es kein Fehlalarm ist. Dieser große Optimismus hat mich nie verlassen und ehrlich gesagt, freute ich mich nur noch! Hoffentlich endlich eine neue Lunge, hoffentlich endlich ein neues Leben –  ohne IVs, ohne ständigen Husten & ohne k.o. nach 50m gehen – zu bekommen.

Wir fünf warteten ungefähr fünf Stunden bis es hieß: „Das Organ passt, es geht gleich los“! Die Wartezeit war toll! Wir haben Witze gemacht, viel gelacht und meine Freundin hat mir nach einer langen Suche nach einem Nagellackentferner noch schnell die roten Finger- und Fußnägel ablackiert. Das war nötig, weil im OP Nagellack natürlich ein No-Go ist.

Wieder etwas, dass sie ohne viel nachzufragen für mich gemacht hat. Denn meine beste Freundin und ich kennen uns quasi seit unserer Geburt. Nur zwei Tage liegen zwischen unseren Geburtstagen und seitdem ist sie an meiner Seite und sieht mir sofort an, was ich brauche. Sie hat mich aus so manchem dunklen Moment geholt und ich bin dankbar für so eine wundervolle Freundin, die ausnahmslos seit 30 Jahren an meiner Seite ist!

Die OP geht los

Es standen auch noch ein paar Untersuchungen an. Die waren nochmal anstrengend und Blut wurde mir auch nicht zu knapp abgenommen. Als ich dann endlich in den OP gebracht werden sollte, verabschiedeten wir uns. Dabei hatten alle ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Dieses wäre sicher noch breiter gewesen, wenn sie ganz genau gewusst hätten, dass die mich das letzte Mal ohne Sauerstoff sehen und mich ein letztes Mal husten hören. Wobei meine Mutter noch Monate später nachts wach wurde, weil sie einen angeblichen Hustenanfall von mir zu hören glaubte.

Das gab mir Kraft & Zuversicht! Natürlich hatten meine Angehörigen auch Angst und haben stundenlang gehofft. Aber ich bin mir sicher, alle wussten, dass es ab jetzt nur noch besser werden konnte.

Als die Wartezeit zu lang wurde, hielt es meine Mutter nicht mehr aus und spazierte zur Intensivstation. Dort war sie natürlich nach diversen Anrufen schon bekannt. Sie klingelte energisch an der Tür und fragte, ob sie mich schon sehen dürfte. Das Pflegepersonal hatte wohl vergessen den Lautsprecher wieder auszuschalten und meine Mutter konnte folgenden Satz mithören:“ Jetzt haben wir ein Problem, die Mutter steht schon vor der Tür, die werden wir nicht los!“. Aber die Beharrlichkeit hatte sich gelohnt. Meine Mutter durfte mich kurz sehen und auch ein schnelles Foto von mir machen, denn das hatte ich mir gewünscht.

Transplantation verläuft ohne Komplikationen

Nach einer komplikationslosen Transplantation ging es positiv weiter. Volle Kraft nach vorn! Der Chirurg wollte bereits am zweiten Tag mit mir auf der Terrasse grillen. Leider blieb das nur ein Scherz von ihm. Schon im Krankenhaus konnte ich mehr Stufen steigen als vor der OP und nach den geplanten drei Wochen ging es dann auch schon in die dreiwöchige Reha. 

Zu Hause angekommen mussten nicht nur ich, sondern auch alle anderen sich erstmal an die „neue“ Jule gewöhnen. Meine Tanten kamen davor oft zu Besuch, um mir zu helfen, wenn meine Mutter nicht da war, das war jetzt nicht mehr nötig. Die Besuche blieben natürlich nicht aus, aber sie gewannen an Leichtigkeit und Sorgenfreiheit. 

Drei Monate später lernte ich meinen jetzigen Ehemann kennen. Er kommt aus der Naturwissenschaft und konnte natürlich gleich etwas mit „Mukoviszidose“ und „Transplantation“ anfangen. „Krass, ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen Menschen treffe der beides mitbringt“, war sein erster Satz, nachdem ich ihm erzählte warum ich gerade so lange krankgeschrieben bin. Sein Hintergrund hat so einiges erleichtert, viel erklären musste ich also nicht. Auch meine Schwiegereltern waren von Anfang an offen und haben mich liebevoll aufgenommen. Schon ein halbes Jahr später sind wir zusammen nach Leipzig gegangen. Später haben wir uns dann auch noch ein Energiebündel angeschafft. Frida, eine Labradorhündin. Der Schritt, nach über 25 Jahren zu Hause auszuziehen war groß, tat aber auch sehr gut. Damit dieser Schritt auch für meine Mutter noch leichter wurde entschieden wir, dass Amy in ihrer alten Umgebung bleiben sollte. 

Jetzt war es möglich, die Ausbildung fortzusetzen

2021, zwei Jahre nach der OP, habe ich meine Ausbildung dann wiederaufgenommen. Mein Chef hat mir diese Möglichkeit immer offengelassen, wofür ich sehr dankbar bin. Ich hatte großen Respekt vor diesem Schritt, denn dies bedeutete für mich 8h täglich zu arbeiten, wieder die Berufsschule zu besuchen, den Haushalt zu schmeißen und sich um unsere sehr aktive Hündin zu kümmern. Ein ganz normales Leben eben – endlich. Im selben Jahr habe ich im Heißluftballon über der schönen Elbe auch noch einen Heiratsantrag bekommen. Natürlich habe ich auch dazu „JA!“ gesagt. Im September vergangenen Jahres feierten wir dann eine für uns beide absolute Traumhochzeit mit allen Freunden und den beiden Familien. Der „Muko-Tisch“ war selbstverständlich auch dabei und es war toll zu sehen, dass die Krankheit auch positive Seiten hat. 

Mittlerweile habe ich meine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und wurde auch übernommen. Zeit also für das nächste Projekt! 

Wir haben uns gewagt ein Grundstück mit Haus zu kaufen. Dieses muss jetzt saniert & renoviert werden und es ist toll, mit anpacken zu können und nicht nur im warmen Sessel zugucken zu müssen. Auf den Umbau, gemeinsam mit meinem Vater, freue ich mich schon sehr. Mein Mann unterstützt jetzt auch den Mukoviszidose e.V. Leipzig und ich gebe neben der Arbeit sogar noch Häkelkurse für Kinder. Ein ganz normales Leben eben, für das ich unendlich dankbar bin und das mich sogar oft vergessen lässt, dass ich nicht gesund bin. Die größte Freude im Alltag ist für mich, wenn mir am Abend bewusst wird, dass ich nach einem normalen Arbeitstag Lebensmittel eingekauft habe, diese schweren Tüten drei Treppen hochgetragen habe, mir dann unsere Frida geschnappt habe und wir mindestens 5 km spazieren waren und ich danach noch einen Kuchen gebacken habe oder noch etwas geputzt habe. Früher war ich beim Gedanken von nur einer dieser Tätigkeiten schon k.o. und heute könnte ich am Abend sogar noch etwas unternehmen.

Julia genießt das Leben im Hier und Jetzt

Wer weiß, was das Leben alles bringen wird. Wer weiß, wie lange die neue Lunge fit bleibt. Wer weiß, ob und wann eine Retransplantation nötig sein wird. Eines steht fest. Jetzt lebe und genieße ich das Leben, mit all den eigentlich normalen Alltagssorgen, die gesunde Menschen auch haben.
Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich mich aus diversen Gruppen in den sozialen Medien zurückziehen musste, denn auch dort werden oft nur die Schattenseiten gezeigt und diskutiert. Die wenigsten Menschen melden sich auf diesen Plattformen, um darüber zu berichten, dass bei ihnen alles super ist. Dazu zähle ich mich auch. Deshalb hoffe ich, dass ich mit meiner Geschichte zeigen konnte, dass es sich definitiv lohnen kann, diesen anstrengenden Schritt zu gehen. Optimismus und den Glauben an sich selbst sollte sich jeder stets bewahren! 

Julia

Deine Geschichte auf unserem Blog

Möchest Du Deine ganz persönliche Geschichte auch bei uns auf dem Blog erzählen. Melde Dich gerne bei Juliane Tiedt (JTiedt(at)muko.info). Wir freuen uns auf Deine Geschichte. 

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Zuletzt aktualisiert: 04.11.2024
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