Wann ist bei dir Mukoviszidose diagnostiziert worden?
Bei mir wurde Mukoviszidose recht früh erkannt, mit etwa sechs bis sieben Monaten, wenn ich mich recht erinnere. Mein Onkel hatte Mukoviszidose, so war die Krankheit nicht komplett unbekannt für meine Eltern. Nach ersten kleineren Symptomen wurde dann ein erster Schweißtest gemacht, der negativ war. Der DNA-Test allerdings zeigte dann später ein klares Ergebnis.
Wie war Dein Verlauf der Krankheit?
Ich würde sagen, der war sehr schleichend. Bis circa 20 Jahre hatte ich wenig bis kaum Einschränkungen in meiner Wahrnehmung oder aber ich war einfach sehr gut darin, diese zu verdrängen. Ein bis zwei Jahre vor der Transplantation ging es dann um einiges schneller bergab. Es fing an mit nächtlicher Sauerstoffversorgung bis hin zur täglichen und Ganztagesversorgung mit Sauerstoff.
Du bist 2020 transplantiert worden. Wie hast Du diese Zeit erlebt?
Die Zeit im Krankenhaus war schon mit Abstand die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich wurde quasi über Nacht eingeliefert, weil ich kaum noch Luft bekam. Die Rettungskräfte haben das zum Glück sehr schnell sehr ernst genommen. Meine Reise ging von Heilbronn (das nächste Krankenhaus) nach Heidelberg, was mich betreute, und schließlich nach Homburg, das der Transplantation zustimmte. Eine Transplantation war zu dem Zeitpunkt schon geplant, allerdings nicht in der Schnelligkeit und Dringlichkeit, wie es dann wurde. Man geht von einer zusätzlichen Infektion aus, wobei es am Ende dann nicht mehr hundertprozentig festgestellt werden konnte. Die Prioritäten waren auch andere. Ich war einige Zeit im Koma, was eine Reihe der verrücktesten Träume beinhaltete. Ich kann aber nicht sagen, ob die alle in der Aufwachphase stattfanden oder wann genau. Das Ärzteteam hat unglaublich um mich gekämpft und trotzdem beeindruckend einfühlsam mit meiner Familie reagiert. Die verschiedenen Sedierungen und Schmerzmittel haben einige Erinnerungen etwas verblassen lassen, aber ich werde niemals vergessen, wie einer der Chefärzte ruhig und bedacht immer wieder wiederholt hat, dass wir das schaffen und dass wir das alles hinbekommen werden. So war das Letzte, was mir eigentlich blieb, die Hoffnung in die Ärzte und mein Lebenswille. Ich habe sehr viel an Dinge gedacht, die ich unbedingt noch machen will und das hat mir dann auch immer wieder Hoffnung gemacht. Als dann der finale Anruf mit der Lunge kam, war das Erste, was ich gemacht habe, meiner Mutter zu schreiben. Ich hatte ein wenig die romantische Vorstellung, dass es nach der OP dann alles wieder gut ist und alles besser wird. Das war natürlich nicht so. Die Reise nach der OP war meine persönlich schwerste. Denn der Kopf wird wieder klarer, man fühlt wieder Schmerz, man empfindet wieder Emotionen. Dieser unglaubliche schier unbezwingbare Kampf, auf die Füße zu kommen. Allein sitzen war ultra-anstrengend. Ich war froh zu leben und frei zu atmen, aber ich habe trotzdem noch kein Licht am Ende des Tunnels gesehen. Ich war ja auch an der Dialyse angeschlossen usw. Meine größte Angst war, dann schon von einer Abhängigkeit (Sauerstoff) in die nächste zu rutschen (Dialyse). Zum Glück kam es jedoch nicht so.
Wie geht‘s Dir heute?
Ich würde sagen, ich lebe komplett neu. Ein Bonuslevel quasi. Meine Dankbarkeit allen Ärzten, Freunden und Familie gegenüber ist unermesslich. Ich habe zwei (Stief-)Kinder, ich bin verlobt. Die Lunge macht immer noch stetig Fortschritte, natürlich bei weitem nicht die großen Sprünge wie in den ersten Monaten. Ich bin natürlich auch der Spenderfamilie unglaublich dankbar und ich wünschte, ich könnte ihnen das irgendwie mitteilen. Ich kann wirklich mit fester Überzeugung sagen, dass es mir sehr gut geht. Natürlich sind noch Medikamente erforderlich, aber z.B. lange nicht die Masse, die es vor der Operation und kurz danach war.
Du bist gelernter Fotograf. Wie läuft Dein Berufsleben als transplantierter Mensch mit CF?
Absolut perfekt aus medizinischer Sicht. Unternehmerisch könnten es gerne noch ein paar mehr Aufträge sein, haha, aber das liegt einfach auch an der momentanen Wirtschaftslage. Ich habe persönlich über keine Einschränkungen in meinem Beruf zu klagen. Auf sehr, sehr großen Events in der Grippezeit trage ich einfach Maske, das ist ja mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr. Man muss sich natürlich Pausen gönnen, das sollte aber auch jeder gesunde Mensch einhalten.
Du engagierst Dich stark für die Menschen in der Ukraine. Angefangen hat das alles, weil Du Dich für einen jungen Mann mit CF stark gemacht hast, um ihn aus der Ukraine rauszubekommen. Erzähl mal, wie Du dazu gekommen bist.
Über die Facebook-Seite von Thomas (MukoDino) habe ich von diesem jungen Mann gehört. Er saß in Kyiv fest, während die Invasion der Ukraine in vollem Gange war. Ich habe dann Kontakt zu ihm aufgenommen, was ihn, glaube ich, sehr überraschte. Für mich war es in diesem Augenblick so unfair, dass es mir so gut geht und er leidet. Der einzige Unterschied ist das Land, in dem wir geboren und aufgewachsen sind. Anschließend habe ich über alle mir bekannten internationalen Organisationen versucht, Hilfe für ihn zu bekommen, aber leider komplett vergeblich. Mit einem kleinen Mini-Team in Berlin haben wir dann Hilfe gefunden bei Ukrainern, so konnten wir ihn zumindest von Kyiv weg in den Westen, nach Lviv, bringen. Dort musste er erst einmal bleiben, da sein Zustand nicht ausreichend für einen Weitertransport war. Dies war natürlich enttäuschend, da es unser Ziel war, ihn so schnell wie möglich nach Berlin zu bringen. Erst einige Wochen später haben wir grünes Licht für einen Weitertransport bekommen und haben dafür Spenden gesammelt. Das Geld hat dann immerhin für einen Rettungswagen von Lviv nach Warschau, Polen, gereicht. Dort standen wir dann bereit mit meinem privaten PKW komplett mit verschiedenen Sauerstoffgeräten ausgestattet, um ihn und seine Mutter einzuladen. Wir, das waren eine Freundin und ich. Um drei oder vier Uhr morgens begann unsere Reise in Warschau. Zwischen sechs und sieben Uhr kamen wir an der Charité in Berlin an. Mit Hilfe von einem anderen CF-Vater konnten wir ihn im Vornherein anmelden. Ab dem Zeitpunkt hat sich die Charité (bis heute) um ihn gekümmert. Seine Therapie mit CFTR-Modulatoren usw. hat enorme Fortschritte gebracht. Dieser junge Mann ist für mich bis heute ein so besonderer Fall und ich bin unglaublich stolz, dass wir wirklich das alles ohne Hilfe von offiziellen Stellen geschafft haben.
Was tust du heute um Menschen in der Ukraine zu helfen?
Ich arbeite für den Verein BerlinToBorders e.V. im Rahmen des Gemeinsam4Ukraine Projekts. Wir leisten humanitäre und medizinische Hilfe für die Menschen in der Ukraine. Regelmäßig fahre ich in die Ukraine, halte alles fest, wo die Spenden hinkommen. Ich halte die Geschehnisse in den Frontgebieten fest. Diese Arbeit ist auch für mich jedes Mal surreal. 2020 war ich noch pflegebedürftig, seit 2022 stehe ich mit Helm und schusssicherer Weste an der Front und bringe Hilfsgüter oder evakuiere Menschen. Heute, also 2024, gibt es nicht mehr viele Mukoviszidose-Fälle im Land. Wir selbst konnten noch einige mehr evakuieren, leider waren wir aber auch nicht immer rechtzeitig vor Ort. Derartige Schicksale haben mir regelmäßig den Boden unter den Füßen weggerissen. Wir helfen also im Grunde allen, die unsere Hilfe brauchen und wo wir die Möglichkeit haben zu helfen. Ich bin unglaublich stolz auf unser aktuelles sehr diverses und internationales Team und ich glaube, ich spreche im Namen von allen, wenn ich sage, dass wir das machen werden, bis unsere Arbeit überflüssig wird.
Du warst letztens auch in der Ukraine. Was hast du dort erlebt?
Um ehrlich zu sein bin, ich gerade in der Ukraine, während ich diese Worte hier schreibe. Ich befinde mich auf dem Weg nach Kherson, die Stadt ist seit November 2022 wieder in ukrainischer Hand und die letzte Hauptstadt vor der Halbinsel Krim. Die Situation ist, um es in klare Worte zu fassen, ziemlich bescheiden, aber die Menschen geben nicht auf. Sie kämpfen und verteidigen, das ist unglaublich inspirierend. Kherson als Stadt steht unter Beschuss jeden Tag. Es gibt keinen Tag hier, an dem keine Granaten oder Artillerie- oder Panzergeschosse einschlagen. Daher haben wir so viel Werkzeug wie möglich gesammelt, um die Häuser jeden Morgen wiederaufzubauen oder z.B. aufzuräumen. Wir haben auch Schulequipment für eine der letzten Schulen dabei (Tische, Stühle, Computer, Whiteboards). Gelebt und gewohnt haben wir quasi wie jeder andere ukrainische Zivilist in der Stadt mit dem Unterschied, dass wir komplette Schutzausrüstung auf militärischem Niveau haben. Es ist immer wieder wirklich herzzerreißend, wie dankbar die Menschen sind, wenn wir auftauchen. Für viele ist es unbegreiflich, wieso wir herkommen an den Ort, von dem andere fliehen. Aber um ganz ehrlich zu sein, habe ich ja immer noch das große Glück und Privileg, dass ich nach Hause kann, jederzeit. Mein Zuhause steht, meiner Familie geht‘s gut. Die Ukrainer wissen genau wie Mukoviszidose-Patienten perfekt, was es heißt zu kämpfen. Vielleicht verbindet uns das sogar ein stückweit. Gebt dem Land, vor allem am Schwarzen Meer, eine Chance für einen Urlaub, wenn der Krieg endlich vorbei ist! :-)
Hat Deine eigene Erkrankung dazu beigetragen, dass Du so engagiert bist? Und haben Deine Erlebnisse in der Ukraine Deine Sicht auf Deine Erkrankung/Dein Leben verändert?
Ja, das würde ich schon sagen. Ich habe jetzt keine krasse 180Grad-Wendung gemacht. Definitiv hat mich die Erkrankung von Anfang an feinfühliger werden lassen, die Zeit im Krankenhaus hat mir vor allem gezeigt, wie fragil und wertvoll das Leben eigentlich ist. Auch andersrum hat mir die Zeit in der Ukraine verdeutlicht, wie glücklich wir uns in Deutschland schätzen können, auch in Hinsicht auf die medizinische Versorgung von Mukoviszidose-Patienten. Was für uns selbstverständlich ist, wird in der Ukraine zum Beispiel kaum übernommen. CFTR-Modulatoren sind hier quasi nur ein Mythos, kein realistisches Ziel, das erreichbar ist. Ich bin froh und glücklich, dass die evakuierten Patienten nun endlich diese Therapie starten können. Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich glaube schon, dass man nicht umsonst eine zweite Chance wie ich im Leben bekommt. Ich habe für mich persönlich beschlossen, dass ich mich nicht darauf ausruhen möchte, sondern aktiv die Liebe zurückgeben will, die ich damals bekam. Vermutlich bin ich deshalb hier gelandet.
Gibt es noch etwas, das Du gerne loswerden möchtest?
Ich würde mich gerne noch einmal bedanken. Ich will mich bedanken bei den Ärzten in Heidelberg und bei dem gesamten Team in der Uniklinik Homburg, egal ob Pfleger, Assistenzarzt, Chefarzt oder Professor. All das, was ich heute mache, wäre nicht einmal im Ansatz möglich ohne deren Arbeit (bis heute). Falls das hier jemand lesen sollte von dort: Jeder einzelne Mensch, den wir hier in der Ukraine retten oder gerettet haben, geht auch auf Euer Konto. Ich würde mich auch gerne bei meiner Familie und Freunden bedanken. Speziell bei meinen Eltern und meiner Schwester, die mich fast jeden Tag besucht haben und niemals aufgegeben haben, an mich zu glauben. Dieser Glaube und diese Hoffnung von allen genannten Parteien hat mir damals so viel Kraft gegeben. Natürlich auch Danke, dass ich hier meine Geschichte teilen durfte. Allen Muko-Kids oder –Teens, die denken, dass sie irgendwas nicht schaffen können, kann ich vielleicht auch ein klein wenig Mut machen. Passt auf Euch auf!
Das Interview führte Juliane Tiedt.
Chris berichtet auch auf seinem Instagram-Account über sein Engagement für die Menschen in der Ukraine.
Seit Beginn des Ukraine-Krieges unterstützt auch der Mukoviszidose e.V. Menschen mit CF in dem Land. Immer wieder hat der Verein zum Beispiel Medikamentenlieferungen durch seinen Partner, den Atemspende e.V., in das vom Krieg gezeichnete Land mitfinanziert.
Mit Spenderlunge zur Goldmedaille
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"Ich hatte immer die Angst im Hinterkopf, wann die Krankheit wieder zuschlagen würde"