Für Seltene Erkrankungen wie Mukoviszidose ist es umso wichtiger, sich politisch Gehör zu verschaffen. Der Mukoviszidose e.V. ist daher gesundheitspolitisch auf regionaler wie bundesweiter Ebene aktiv. Als Erfolg konnten wir unter anderem Anfang 2021 erreichen, dass Menschen mit Mukoviszidose in der Impfverordnung zur COVID-19-Impfung in die Gruppe 2 zur Impfung mit „hoher Priorität“ eingeordnet wurden. Im Interview gibt Euch Katharina Heuing vom Mukoviszidose e.V. Einblicke in die diversen Themenfelder ihrer gesundheitspolitischen Arbeit.
Liebe Frau Heuing, Anfang Februar 2021 wurden Mukoviszidose-Patienten in der Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums in Gruppe 2 zur Impfung mit „hoher Priorität“ für eine COVID-19-Impfung aufgeführt. Welchen Anteil hatte die gesundheitspolitische Öffentlichkeitsarbeit des Mukoviszidose e.V. an diesem erfreulichen Ergebnis?
Als klar wurde, dass Mukoviszidose sowohl in der Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) als auch der Impfverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) in der Liste der Vorerkrankungen für eine prioritäre Impfung fehlt, haben wir uns direkt an die Verantwortlichen, also in erster Linie die STIKO und das BMG gewendet. Wir haben uns dabei auf Daten aus dem europäischen Mukoviszidose-Register bezogen, die aufzeigen, dass mit steigendem Alter bei Mukoviszidose-Patienten eine höhere Hospitalisierungsrate im Falle einer Covid-19-Infektion zu verzeichnen ist als in der Allgemeinbevölkerung.
Ein Zwischenerfolg war, dass die STIKO dann zunächst Einzelfallentscheidungen des Impfpersonals für seltene, schwere Vorerkrankungen ermöglicht hat. Wenige Wochen später wurde Mukoviszidose dann explizit in die Impfverordnung aufgenommen. In diesem Fall hat unsere politische Arbeit eine direkte Wirkung gezeigt. Ohne unser Handeln wäre es sicher nicht dazu gekommen. Das Ganze hat uns aber auch noch einmal gezeigt, wie schnell Seltene Erkrankungen durchs Raster fallen.
Was sind denn weitere Themen, bei denen Mukoviszidose-Betroffene politisch vertreten werden müssen?
Das wichtigste Thema ist nach wie vor die Sicherung der Versorgungsstrukturen. Immer wieder gab es in den letzten Jahren akute Versorgungsnotstände an verschiedenen Standorten, die alle daraus resultierten, dass die Mukoviszidose-Versorgung nicht ausreichend finanziert wird. Aus diesem Grund hatten wir uns 2017 ja auch mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewendet und rechtliche Regelungen für eine ausreichende Finanzierung gefordert. Fast 100.000 Unterschriften konnten wir dem Petitionsausschuss überreichen – das war ein wahnsinniger Erfolg und eine deutliche Bestätigung unseres Anliegens. Auch der Deutsche Bundestag hat in einem Beschluss zur Petition 2019 anerkannt, dass unserer Forderung weiter nachgegangen werden muss. Ganz konkret hat sich daraus ergeben, dass wir uns im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) für eine bessere Vergütung in der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) einsetzen und in allen Bundesländern eigene Petitionsverfahren angestoßen wurden, die wir mit den Beteiligten vor Ort eng begleiten.
Wir vertreten Betroffene und Ambulanz-Teams aber auch vor Ort, wenn es Versorgungsnotstände gibt. Das war 2021 z.B. in Bremen der Fall, als zwei Kinderkliniken zusammengelegt wurden. Schlechte Strukturen und noch nicht etablierte neue Abläufe haben dazu geführt, dass sich die Mukoviszidose-Versorgung dort daraufhin massiv verschlechtert hatte. Wir haben das, gemeinsam mit den Beteiligten vor Ort, bei den Verantwortlichen sowohl auf politischer Ebene als auch auf Ebene der Klinikleitung angemahnt und auch die Presse auf den Missstand aufmerksam gemacht. Wir konnten damit erreichen, dass organisatorische Schwierigkeiten und damit der akute Notstand am Zentrum teilweise behoben wurden. Die Situation in Bremen hat uns aber erneut gezeigt, wie unsicher die Versorgungsstrukturen grundsätzlich aufgrund der Unterfinanzierung sind. Und das werden wir weiterhin mit Nachdruck an die Bundespolitik zurückmelden.
Inwiefern wird Ihre gesundheitspolitische Arbeit durch Wahlen wie beispielsweise die Bundestagswahl im vergangenen Jahr beeinflusst?
Interessenvertretung lebt von Kontakten und der Pflege von Kontakten. Durch Wahlen dreht sich das Personalkarussell: die zentralen Positionen im für uns wichtigen Bundesministerium für Gesundheit wurden neu besetzt. Das heißt, wir müssen erst einmal die Basis für eine neue Zusammenarbeit schaffen und dem Gesundheitsminister und seinen Staatssekretären die Besonderheiten der Mukoviszidose-Versorgung und unsere Anliegen zur Verbesserung der Versorgungssituation vermitteln. Auch der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags wurde neu besetzt. Und es sind viele neue Abgeordnete in den Bundestag eingezogen, zu denen wir bereits Kontakt aufgenommen haben. Gründlich studiert haben wir den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien. Darin sind einige Ziele enthalten, die für die Mukoviszidose-Versorgung wichtig sein könnten wie z.B. der Ausbau von Sozialpädiatrischen Zentren und die Förderung von Telemedizin. Wir werden die Mitglieder der Bundesregierung auch darauf ansprechen und einfordern, dass es nicht bei Absichtserklärungen bleibt.
Liebe Frau Heuing, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Interview mit Katharina Heuing führte Marc Taistra, Mukoviszidose e.V.
Mit Spenderlunge zur Goldmedaille
Wann ist es denn soweit? Kinderwunsch und Mukoviszidose
"Ich hatte immer die Angst im Hinterkopf, wann die Krankheit wieder zuschlagen würde"