„So schlimm kann deine Krankheit ja nicht sein, man sieht ja gar nicht, dass du krank bist.“ In meinem Fall sind es sogar drei chronische Krankheiten (Mukoviszidose, insulinpflichtiger Diabetes und Hochtonschwerhörigkeit, die das Tragen von Hörgeräten notwendig macht).
Ganz offensichtlich ist man in den Augen zu vieler Menschen nur dann richtig krank, wenn man bitteschön auch zweifelsfrei krank aussieht – ansonsten gilt das nicht, man lügt oder man tut nur so, als habe man eine Krankheit.
Mir ist schon vorgeworfen worden, meine Krankheit bloß als Vorwand zu benutzen, um mir einen faulen Tag machen zu können. Dann gibt es Menschen, die mir erklären, dass ich ja schließlich auch viele Vorteile hätte. Fünf Tage mehr Urlaub und Steuererleichterungen zum Beispiel. Gerne fällt in diesem Zusammenhang auch mal das Wort „Sozialschmarotzer“, wenn ich zum Beispiel aufgrund meines Schwerbehindertenausweises an günstige Eintrittskarten komme. Ganz offensichtlich gelte ich dann nicht als behindert genug, um dazu ein Recht zu haben. Der Empörungsgrad mancher Menschen lässt diesen Schluss durchaus zu. Mit anderen Worten, ich bin offenbar ein Glückspilz, wegen all dieser vielen Vorteile.
An guten Tagen gehen mir diese pauschalen Einschätzungen am Allerwertesten vorbei. Oft empfinde ich sie aber einfach nur als zynisch. Ich werde einfach nicht schlau aus den Menschen und ihren Erwartungen an nicht sichtbar chronisch Erkrankte oder Behinderte. Auch Mukoviszidose ist eine beinahe unsichtbare Erkrankung geworden – nicht zuletzt auch aufgrund von Kaftrio. Dennoch steckt meistens viel „Arbeit“ darin, das „gesunde“ Außenbild zu erhalten. Die Außenwelt bekommt von diesen Bemühungen zwar nichts mit, glaubt aber beurteilen zu können, dass ich aufgrund meines gesunden Aussehens gar nicht richtig krank sein kann. Im Berufsleben wurde meine Krankheit zum Beispiel immer wieder so benutzt, wie es den Verantwortlichen gerade passte. Mal war ich zu krank für einen höheren Posten, oder ich sollte mich nicht so anstellen wegen der zusätzlichen Arbeit, da ich ja gar nicht krank aussehe. Es ist paradox! Immer dieses Gefühl, alles rechtfertigen zu müssen. Auf der einen Seite dafür, dass ich krank bin und trotzdem gesund aussehe, auf der anderen Seite aber auch dafür, dass ich dennoch ein eigenständiges Leben führen und es auskosten möchte.
Das muss endlich aufhören! Jeder hat es verdient, ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen - egal ob krank oder gesund! Da gibt es nichts zu rechtfertigen! Ein Leben mit einer Erkrankung ist auch nicht automatisch bedauernswert! Ich würde mir wünschen, dass sich alle Menschen auf Augenhöhe begegnen können und eine Krankheit oder Behinderung einfach keine Rolle mehr spielt. Auf jeden Fall werde ich weiterhin mit den „Uneinsichtigen“ diskutieren, um damit dieser eindimensionalen Sicht etwas entgegen zu setzen!
Simona Köhler, Jahrgang 1967, eine lebenserfahrene Mukoviszidose-Betroffene, lebt mit ihrem Mann in Pinneberg. Sie wurde u.a. zur Tanzpädagogin ausgebildet und unterrichtete viele Jahre Tanz. Nach dem Verwaltungsstudium arbeitet sie heute in der Hamburger Kulturbehörde als Referentin für Kinder- und Jugendkulturprojekte. Seit ihrem 18. Lebensjahr engagiert sie sich ehrenamtlich für Menschen mit Mukoviszidose.
Wie das Tanzen ist auch das Schreiben für sie eine Möglichkeit, unklaren Gefühlen zu begegnen oder den Kopf wieder frei zu bekommen. Mit ihren Texten möchte sie ihre Erfahrungen im Umgang mit Mukoviszidose weitergeben. Zunehmend setzt sie sich in ihren Texten kritisch mit „Ableismus“ auseinander, um für dieses Thema zu sensibilisieren.
Auf Instagram findet Ihr Simona unter @simonatanzt.
"Ich hatte immer die Angst im Hinterkopf, wann die Krankheit wieder zuschlagen würde"
Am Ende kam die Liebe, um zu bleiben
#mukomama: Meine Herausforderungen und Erkenntnisse als Mama mit Mukoviszidose