Der Mukoviszidose e.V. unterhält seit 2008 das Haus Schutzengel in Hannover. Erna Renz kennt die Geschichte des Hauses von der ersten Stunde an: Sie war Teil des professionellen Betreuer-Teams im Haus und hat sich vorher viele Jahre ehrenamtlich dort engagiert. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums von Haus Schutzengel erzählt sie im Interview von ihren Erfahrungen.
Sie haben viele Jahre ehrenamtlich für unser Haus Schutzengel gearbeitet – wann war das genau, und wie sind Sie auf das Haus aufmerksam geworden?
Ich bin mit 24 Jahren aus Russland nach Deutschland gekommen, mit zwei Kindern, und hier haben wir noch zwei Kinder bekommen. Mit den Kindern konnte ich nicht berufstätig sein, daher wollte ich etwas Ehrenamtliches machen. Wir sind 1989 Mitglieder der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Roderbruch geworden. Der Pastor der Gemeinde war sehr engagiert, er kam in Kontakt mit Prof. von der Hardt, der damals die Abteilung Pädiatrische Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) geleitet hat. Der Professor hat unsere Gemeinde gefragt, ob wir uns vorstellen können, ein Haus zu leiten, in der die Familien der kleinen Mukoviszidose-Patienten übernachten können.
1990 hat die Gemeinde den Verein Elternherberge gegründet, und ich habe mich entschlossen, dabei mitzumachen. Fast 20 Jahre habe ich ehrenamtlich im Verein gearbeitet und die Elternherberge, die heute Haus Schutzengel heißt, mit betreut. 2006 ging es dann um die langfristige Sicherung der Finanzierung und Weiterführung der Elternherberge, und es kam zur Übergabe der Trägerschaft von der Gemeinde Roderbruch an den Mukoviszidose e.V. Das Haus wurde renoviert und umgebaut und hat 2008 als Haus Schutzengel neu eröffnet. Ich habe noch bis 2016 für Haus Schutzengel gearbeitet, dann musste ich aus gesundheitlichen Gründen leider damit aufhören.
Was waren Ihre Aufgaben in Haus Schutzengel, bzw. vormals der Elternherberge?
Wir Ehrenamtlichen sind jeden Abend im Haus gewesen und haben mit den Eltern, die dann aus der Klinik von ihren Kindern kamen, Gespräche geführt. Ich habe Besuche bei den Kindern im Krankenhaus gemacht, teilweise auch mit meinen eigenen Kindern zusammen, wir haben zusammen Spiele gespielt, gemeinsam mit den Eltern in der Elternherberge gekocht und Ausflüge gemacht. Also alles, was man mit einer Familie so
macht. Ich war auch zuständig für die Kontakte zu den Stationen im MHH und habe gelegentlich Übersetzungen gemacht für Patienten aus slawischen Ländern. Und Spenden haben wir zusammen mit dem Pastor regelmäßig gesammelt. Viele haben mir immer wieder gesagt: „Erna, du bist die gute Seele des Hauses.“
Was ist in Ihren Augen das Besondere an Haus Schutzengel? Inwiefern hilft es den Menschen, die dort auf Zeit wohnen?
Das Besondere ist, dass das Haus den Menschen für eine kurze Zeit ein richtiges Zuhause ist. Sie kommen her, traurig und belastet durch die Krankheit, und können in Haus Schutzengel für einen Moment alles fallenlassen. Die Atmosphäre im Haus lädt ein, sich auszuruhen und die Sorgen für einen Moment zu vergessen.
Sie sind nicht allein, können sich miteinander oder mit den Mitarbeiterinnen von Haus Schutzengel austauschen und werden bei Bedarf durch das Team im Haus, z.B. bei sozialrechtlichen Fragen, professionell beraten und unterstützt.
Haben Sie ein Beispiel für eine Begegnung dort, die Sie besonders berührt hat?
Jede Begegnung hat mich ganz stark berührt. Ich war ja auch Seelsorgerin in der Gemeinde, und ich habe einfach einen Draht dafür, Menschen zu helfen und zu begleiten. Es gab auch ganz schwere Momente, wenn es den Kindern sehr schlecht ging oder sie sogar gestorben sind. Ohne meinen Glauben hätte ich das nicht tragen können. Für mich war diese Aufgabe eine Berufung. Und meine Familie hat mich immer unterstützt dabei, das war ganz wichtig für mich. Ich möchte keinen einzigen Tag meines Ehrenamtes missen.
Mit vielen Bewohnern von Haus Schutzengel habe ich heute noch Kontakt. Mein Mann und ich werden regelmäßig zu Hochzeiten und Geburtstagen eingeladen. Oder die Menschen, die auf dem Weg zu Haus Schutzengel sind, kommen vorher auf einen Kaffee bei mir vorbei.
Was ist Ihr Wunsch oder Ihre Anregung für Haus Schutzengel anlässlich des zehnjährigen Jubiläums?
Das Haus Schutzengel zeichnet sich durch Menschen aus, die die Bewohner mit viel Herzblut, Initiative und großer Kompetenz betreuen. Das ist nicht nur eine Arbeit, das ist eine Berufung. Ich wünsche dem Haus und den Menschen, die dort vorübergehend ein Zuhause finden, dass sie immer solche Ansprechpartner dort finden. Und ich wünsche allen, die dort ein- und ausgehen, Gottes Segen!
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Carola Wetzstein.
Der Mukoviszidose e.V. eröffnete im Oktober 2008 das Haus Schutzengel in unmittelbarer Nähe zur Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit dem Ziel, ambulanten Patienten und Familien von Patienten mit längerem Klinikaufenthalt eine finanzierbare Unterkunft zu bieten. Nach der Übernahme der Trägerschaft des Hauses von der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Roderbruch wurde das Haus zwischen 2007 und 2008 komplett umgebaut und renoviert. Es wurde an die Bedürfnisse der Mukoviszidose-Erkrankten und ihrer Angehörigen angepasst. Jeder Bewohner verfügt über ein eigenes Zimmer mit Bad. Das Haus bietet einen Hygienestandard, der es Mukoviszidose-Betroffenen und auch anderen zum Teil schwerkranken oder immunsupprimierten Patienten nach Transplantationen ermöglicht, dort „sicher“ zu übernachten. Seit der Eröffnung des Hauses im Jahr 2008 fanden bereits über 860 Menschen mit ihren Familien im Haus Schutzengel ein Zuhause auf Zeit.
"Ich hatte immer die Angst im Hinterkopf, wann die Krankheit wieder zuschlagen würde"
Am Ende kam die Liebe, um zu bleiben
#mukomama: Meine Herausforderungen und Erkenntnisse als Mama mit Mukoviszidose