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„Durch meine Arbeit kann ich den Verlauf der Erkrankung und die Lebensqualität positiv beeinflussen"

Annett Mattern ist seit mehr als 20 Jahren als Diätassistentin und Ernährungsberaterin im Bereich Mukoviszidose (CF) tätig. Hier erzählt sie uns, wie sie zum Thema Mukoviszidose gefunden hat und was sie an der Arbeit mit Betroffenen und deren Familien besonders schätzt.

Ich habe vor mehr als 25 Jahren im Biologieunterricht das erste Mal etwas von Mukoviszidose gehört. Ich war damals betroffen von den Auswirkungen der Erkrankung, aber ich habe auch die Disziplin der damals fast ausschließlich kleinen Patienten und ihrer Eltern bewundert, täglich ihre aufwändigen Therapien durchzuführen. Während meiner Ausbildung zur Diätassistentin wurde ein Projekttag in der Schule mit allen medizinischen Fachberufen durchgeführt. Jede Berufsgruppe stellte damals ihre Therapiemöglichkeiten bei CF vor. Dies gab mir einen umfassenden Einblick in die Komplexität der Erkrankung, aber auch in die vielen Möglichkeiten, die Therapeuten und Menschen mit CF haben. Und da war mir schnell klar, hier möchte ich mich engagieren! 

Ich möchte jede/n meiner Patienten dabei unterstützen, die für sie/ihn passende Ernährung zu finden

Mittlerweile bin ich nahezu mein ganzes Berufsleben in diesem Bereich tätig. Mein Alltag gestaltet sich sehr abwechslungsreich; ich bin viel unterwegs, da ich in drei verschiedenen Kliniken mit CF-Betroffenen arbeite. Meine Möglichkeiten in der Ernährungstherapie sind sehr vielfältig und richten sich nach den Bedürfnissen der Betroffenen. So biete ich Einzelberatungen, Auswertung von Ernährungsprotokollen, verschiedene Schulungen mit entsprechenden Medien (die wir im Arbeitskreis Ernährung im Mukoviszidose e.V. entwickeln) an, je nach Alter und Gesundheitszustand. Auch Folgeerkrankungen, familiäre und persönliche Ereignisse sowie verschiedene Lebensabschnitte nehmen Einfluss auf die ernährungstherapeutischen Beratungen. Dazu kommen regelmäßige Arbeitstreffen mit dem CF-Team, Dokumentationstätigkeiten und Nachwuchsförderung, zum Beispiel durch Hospitationsangebote.

Zu Beginn meines Berufslebens habe ich selbst sehr von den Angeboten der Hospitationen und Fortbildungen profitiert und war sehr dankbar, dass es diese Möglichkeiten gab. Dadurch war ich schnell in der Lage, die Betroffenen gut zu betreuen (Küche, Beratung, Schulung). Inzwischen kann ich auch etwas zurückgeben und jüngere Kolleginnen und Kollegen unterstützen, indem ich mein Wissen weitergebe.

Ich möchte die Betroffenen und deren Familien in ihrer Eigenständigkeit und Eigenverantwortung unterstützen und ihnen etwas Praktikables für den Alltag mitgeben. Auch möchte ich mit meinen Ideen und Vorschlägen zum Ausprobieren anregen, damit jede/r die für sich passende Lösung findet, denn es gibt nicht die eine Lösung für alle. Ernährungstherapie ist sehr individuell, und so sehe ich auch meine Patienten. Daher engagiere ich mich auch im Arbeitskreis Ernährung im Mukoviszidose e.V., dessen Ziel es ist, zur Verbesserung und Stabilisierung der Ernährungssituation von Mukoviszidose-Patienten beizutragen. Im AK Ernährung haben wir unter anderem den CF-Ernährungswürfel erarbeitet, um CF-Patienten mit einem erhöhten Energiebedarf ein visuelles und interaktives Schulungsmaterial zur Verfügung zu stellen. 

Ich finde es wichtig, Teil einer großen interdisziplinären Gemeinschaft zu sein

Als wir das Medienpaket zum CF-Ernährungswürfel entwickelten, wurden wir von den Mitarbeitern der Geschäftsstelle des Mukoviszidose e.V. in vielerlei Hinsicht unterstützt – man könnte fast sagen, der gesamte Mukoviszidose e.V. war in die Entstehung involviert. Durch die Zusammenarbeit wurde das große Projekt erfolgreich. Ich finde es wichtig, Teil einer großen interdisziplinären Gemeinschaft zu sein. In der Geschäftsstelle des Mukoviszidose e.V. finde ich immer Ansprechpartner, die kompetent auf meinen Bedarf eingehen. Durch die vielen verschiedenen Disziplinen bündelt sich hier konzentriert komplexes Fachwissen. Habe ich medizinische Fragen, benötige Beratungsmaterial oder möchte mich bezüglich der Klimamaßnahmen abstimmen, erhalte ich hier schnelle und kompetente Unterstützung. Die Zusammenarbeit mit dem interdisziplinären Redaktionsteam der Mitgliederzeitschrift muko.info finde ich sehr gut. Als ich einmal persönlich bei einer Redaktionssitzung dabei war, habe ich mich gleich willkommen gefühlt. Mit der Kontaktstelle für die Arbeitskreise im Mukoviszidose e.V. bin ich durch meine Vorstandstätigkeit regelmäßig im Austausch. Dadurch halte ich mich immer auf dem neuesten Stand. Ich bin der Meinung, dass es einem großen, engagierten Verband einfacher fällt, bei Entscheidungsträgern wahrgenommen und beachtet zu werden.

Mit meiner Arbeit kann ich bei und mit den Betroffenen viel bewirken, denn ich kann den Verlauf der Erkrankung sowie die Lebensqualität positiv beeinflussen, was sich ebenfalls positiv auf die Lebenserwartung auswirkt. Der Kontakt mit meinen Patienten und ihren Familien sowie die Arbeit in meinem CF-Team bereiten mir viel Freude. Der Austausch mit den Mitgliedern des Arbeitskreises Ernährung des Mukoviszidose e.V. ist für mich auch nach mehr als 20 Jahren nach wie vor sehr wertvoll, gewinnbringend und macht darüber hinaus viel Spaß. Es hat sich im Laufe der Zeit eine sehr persönliche Vertrauensbasis entwickelt.

Durch die Deutsche Mukoviszidose Tagung erfahre ich wichtigen Input für meine tägliche Arbeit mit den Betroffenen

In den vergangenen zehn Jahren gab es bezüglich der Therapien große Fortschritte und es ist etwas Besonderes, diese Entwicklungen miterleben und aktiv mitgestalten zu dürfen. Bei der Vermittlung von neuestem Wissen über die Krankheit steht für mich die Deutsche Mukoviszidose Tagung (DMT) mit an vorderster Stelle. Die DMT ist für mich die informativste Veranstaltung für CF-Therapeuten im deutschsprachigen Raum. Wissensabgleich und -zuwachs durch Referierende und Kolleginnen und Kollegen sind sehr wertvoll für meine tägliche Arbeit mit den Betroffenen. So bin ich immer auf dem aktuellen Stand und kann neue Erkenntnisse sofort einbeziehen und umsetzen. Davon profitieren meine Patienten sehr. Des Weiteren bietet die DMT eine Plattform für den Austausch und Kontakt mit Kollegen aller Berufsgruppen. Hier entstehen Ideen für neue Projekte und neue Arbeitsgruppen zugunsten der Betroffenen. Nach der Tagung bin ich immer hochmotiviert, neue Projekte zu beginnen, da ich sehr viel Input erfahren habe. Die Industrieausstellung mit Produkten und Innovationen zum Anfassen rundet die Tagung ab. Die Veranstaltung ist seitens des Mukoviszidose e.V. hervorragend organisiert. 

Dank der Zulassung des neuen CFTR-Modulators Kaftrio in Europa im Jahr 2020 sehen wir in unserem CF-Zentrum inzwischen immer mehr fröhliche und sehr dankbare CF-Patienten. Für viele CF-Betroffene sind die Modulatoren ein Segen, da Appetit und Gewicht fast von allein steigen, das Essen plötzlich mit Genuss und etwas Schönem verbunden wird, anstatt mit Therapie. Sie sind leistungsfähiger, verspüren mehr Energie und fühlen sich wohler in ihrem Körper. Auch auf die Verdauung und einen bestehenden Diabetes können sich die CFTR-Modulatoren positiv auswirken, sodass teilweise Medikamente reduziert oder abgesetzt werden können.

Unser Beratungsspektrum in der Ernährungsberatung hat sich durch die Einführung der CFTR-Modulatoren deutlich erweitert

Genauso sehen wir aber auch irritierte Patienten, wenn es plötzlich heißt, weniger und kleinere Mahlzeiten am Tag zu essen, keine Zusatznahrung oder Energieanreicherung mehr zu sich zu nehmen. Besonders schwer kann es für Jugendliche/Erwachsene sein, da sie über Jahre gelernt haben viel, oft und energiereich zu essen, um ein gutes Gewicht überhaupt erreichen zu können. Die lang erlernten und antrainierten Ernährungsgewohnheiten plötzlich zu ändern, stellt viele Betroffene vor große Herausforderungen. Denn bekanntermaßen lassen sich Gewohnheiten nicht von heute auf morgen ändern. Die Gewichtszunahme unter den Modulatoren erfolgt allerdings häufig sehr schnell. Vor allem Jugendliche und Erwachsene können unter einer zu schnellen Veränderung des Körpers leiden, auch wenn sich Übergewicht und Adipositas einstellen. 

Es zeigt sich, dass sich unser Beratungsspektrum durch die CFTR-Modulatoren deutlich erweitert hat, da wir sowohl Betroffene mit einer klassischen CF (ohne Behandlung mit Modulatoren) betreuen als auch eine steigende Anzahl Behandelte mit CFTR-Modulatoren. Die Ernährungsberatung intensiviert sich, da wir viele Parameter (wie z.B. Gewicht, fettlösliche Vitamine, Salz, Enzyme) im Auge behalten und Therapien kurzfristiger anpassen müssen als bisher, was häufigere Kontakte nach sich zieht. Vor allem bei Jugendlichen/Erwachsenen besteht die Herausforderung darin, jahrelang erlernte Essmuster aufzulösen und neue zu erlernen. Auch die Einnahme der Modulatoren (12 Stunden-Abstand+ fettreiche Mahlzeit+ Enzyme) muss immer wieder thematisiert werden, um die optimale Wirkung beizubehalten.

Annett Mattern

Mehr zum AK Ernährung im Mukoviszidose e.V. 

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Zuletzt aktualisiert: 02.01.2024
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