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Heute kann mein Sohn selbst Tipps geben und durch seine positive Ausstrahlung ein Vorbild sein

Als sein Sohn vor fast 30 Jahren die Diagnose Mukoviszidose erhielt, galt Mukoviszidose noch als eine Krankheit mit sehr eingeschränkter Lebenserwartung. Heute blickt Dirk Seifert, der über 20 Jahre lang Vorsitzender des Mukoviszidose Landesverbands Berlin-Brandenburg e.V. war, auf eine positive Entwicklung zurück, ohne jedoch bestehende Herausforderungen aus dem Blick zu verlieren. Ein Interview über 60 Jahre Mukoviszidose e.V., Hoffnung, unbürokratische Hilfe und die Kraft der Selbsthilfe.

Lieber Dirk, schon die Gründungsmitglieder des Vereins bewegte 1965 die Hoffnung auf eine wirksame Therapie bzw. Heilung. Wo stehen wir Deiner Meinung nach in Bezug auf diesen Traum heute? 

1996, also 31 Jahre nach der Gründung der „Gesellschaft zur Bekämpfung von Mukoviszidose“, erhielten wir die Diagnose für unseren Sohn. Das Motto des Vereins hieß: „Jedes Kind soll erwachsen werden!“ Für uns Eltern war das gleichermaßen ein Ausdruck von Hoffnung und Ernüchterung. Ca. 29 Jahre später, zum 60-jährigen Jubiläum des Bundesverbands Mukoviszidose e.V., ist die Zielrichtung erfreulicherweise ganz anders. Es gibt zwar immer noch keine Heilung, aber die Aussicht auf ein „normales“ Leben mit hoher Lebensqualität und Hoffnung auf mehr. Ich persönlich denke, dass es bis zur „Heilung“ noch ein langer Weg ist und zahlreiche alte sowie neue Herausforderungen zu bewältigen sind.

Das Spektrum der Betroffenen, gemessen an ihrem Gesundheitszustand, ist erfreulicherweise viel größer als noch vor 60 Jahren. Es gibt Hunderte transplantierte Betroffene sowie zahlreiche Betroffene, die noch nicht vollumfänglich von den Fortschritten der neuen Therapieansätze profitieren. Ich finde es wichtig, nicht zu vergessen, dass die großen Verbesserungen in der Therapie eine gute Spezialversorgung und ein weiterhin stabiles Gesundheitssystem erfordern. Zudem spielen soziale Aspekte, z. B. die finanzielle Absicherung im Alter, eine viel größere Rolle als vor 60 Jahren.

Austausch in der Selbsthilfe wichtig

Was bedeutet für Dich Selbsthilfe? Gab es einen Moment, in dem der Verein Dir besonders geholfen hat? Welche Entwicklung oder welches Projekt des Vereins hat dich persönlich am meisten beeindruckt?

Für mich bedeutet Selbsthilfe unglaublich viel. Ohne Selbsthilfe und das ehrenamtliche Engagement von Eltern, Betroffenen und Behandlern, die weit mehr leisten als nur einen guten Job, hätten wir heute nicht diese Versorgungsstrukturen, Fortschritte in der Forschung und Behandlung – und letztendlich eine stark verbesserte Lebensqualität und Lebenserwartung für Mukoviszidose-Betroffene in Deutschland.

Selbsthilfe bedeutet für mich auch, sich auszutauschen, Hilfe zu erfahren und Hilfe weiterzugeben. Für unseren Sohn bedeutet dies den Austausch mit Gleichgesinnten – sozusagen Tipps von Profis zu bekommen. Mittlerweile ist er so alt, dass er selbst sehr gut Tipps weitergeben kann und durch sein positives Lebensbild sowie seine Ausstrahlung ein gutes Vorbild ist.

Beeindruckend ist das immer gleichbleibende Engagement von Betroffenen für Betroffene, von Behandlern für Behandler sowie die Bündelung der mannigfaltigen Forschungsarbeiten – insbesondere das Mukoviszidose-Register. Das sind großartige Erfolge, von denen die nachwachsenden Betroffenen stark profitieren werden.

Was hat sich dank des Vereins in Deinem Alltag als Vater eines Sohnes mit Mukoviszidose spürbar verbessert, und was bleibt für Dich noch eine Herausforderung?

Diese Frage kann ich als Vater nur indirekt beantworten, weiß aber durch eigene Beobachtungen und den Austausch mit anderen Eltern und Betroffenen, dass der Verein für den Alltag von Betroffenen unglaublich viel bewirkt hat.

Von Anfang an standen direkte Maßnahmen und Unterstützungsangebote im Mittelpunkt der Vereinsarbeit – sei es durch die Förderung der regionalen Selbsthilfe oder die konstruktive Zusammenarbeit mit den beiden Landesverbänden und anderen Selbsthilfevereinen. Neben verschiedensten Formen finanzieller Unterstützung, die einfach und unbürokratisch wirksam sind, gibt es diverse hilfreiche Beratungsangebote, die sich ebenfalls positiv und unmittelbar auf das Leben der Betroffenen auswirken.

Nicht zuletzt sind die Klimamaßnahmen für viele Betroffene und deren Familien eine ganz besondere Form der Unterstützung. Besonders wichtig ist zudem das Gefühl: „Du bist nicht allein!“ – das wirkt sich unmittelbar auf die Lebenssituation aus, besonders in Krisenzeiten.

Auf welche Erfolge oder Meilensteine des Vereins bist Du besonders stolz? Gibt es ein spezielles Projekt oder Angebot, das Dir besonders am Herzen liegt?

Besonders stolz bin ich auf die Stärkung der Selbsthilfe, den positiven Einfluss auf die Forschung, das Mukoviszidose-Register sowie die kontinuierliche und erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit. Es ist großartig zu sehen, dass die Bekanntheit von Mukoviszidose in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen ist.

Wie wichtig ist Deiner Meinung nach das Engagement der nächsten Generation für die Fortsetzung der Vereinsarbeit?

In den fast 30 Jahren meiner aktiven Mitwirkung habe ich viele Entwicklungen erlebt, die hauptsächlich auf das haupt- und ehrenamtliche Engagement zurückzuführen sind. Dabei wurde vieles erreicht, aber auch einiges hat sich verändert. Alte Sorgen sind gewichen, neue Herausforderungen sind dazugekommen.

Ich zähle mich eher zu den Vertretern der „klassischen“ Selbsthilfe und des persönlichen Austauschs. In den letzten Jahren sind jedoch neue Formen der Kommunikation entstanden, Informationen sind auf vielfältige Weise zugänglich, und auch die Vereins- und Gremienarbeit hat sich stark verändert. Ich finde es nach wie vor sehr wichtig, dass sich Menschen auch zukünftig engagieren.

Dank der Digitalisierung ist eine Beteiligung heute einfacher geworden – vor allem in Anbetracht der langen Fahrtwege aufgrund der geringen Anzahl an Betroffenen und der zunehmend weniger werdenden Akteure. Eine seltene Erkrankung bedeutet auch weniger Ressourcen! Deshalb braucht es weiterhin Mitwirkende, die ihre Freude und Kompetenz in die Vereinsarbeit einbringen, gestalten wollen und Verantwortung übernehmen.

Ein Blick in die Zukunft

Was wünschst Du Dir für die Zukunft des Mukoviszidose e.V.? Wenn Du die Weichen für die kommenden zehn Jahre des Vereins stellen würdest – welche drei Prioritäten wären Dir am wichtigsten?

Ich wünsche mir, dass der Mukoviszidose e. V. anstehende Veränderungen erfolgreich bewältigt und auch in zehn Jahren den Mukoviszidose-Betroffenen sowie deren Angehörigen aktiv zur Seite steht. Zudem sollte Mukoviszidose nicht in Vergessenheit geraten und weiterhin im Fokus bleiben. Die Fortschritte in der Therapie müssen dank Forschung und Beobachtung stetig voranschreiten.

Was würdest Du einem potenziellen Spender raten? Warum sollte er/sie die Arbeit des Vereins durch eine Spende unterstützen?

Spenden sind eine immer wichtiger werdende Grundlage zur Bewältigung der vielfältigen Aufgaben des Mukoviszidose e.V. Sie helfen dem Verein, unabhängiger von Fördermitteln zu agieren und weiterhin seine qualitativ hochwertige Arbeit zu sichern.

Auch wenn man keinen persönlichen Bezug zu einem Mukoviszidose-Betroffenen hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, jemanden im persönlichen oder beruflichen Umfeld zu kennen, der an Mukoviszidose leidet. Dass dem so ist, ist unter anderem ein wichtiger Erfolg dieses starken Selbsthilfevereins.
Auch hier gilt: Wie bei den knappen personellen Ressourcen aufgrund der Seltenheit der Erkrankung sind Spenden umso wichtiger – insbesondere im Vergleich zu größeren Verbänden mit einer stärkeren Präsenz.

Lieber Dirk, wir danken Dir sehr für das Gespräch!

Das Interview führte Mark Taistra. 

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Zuletzt aktualisiert: 04.09.2025