Seit 2020 ist mit Kaftrio ein hochwirksamer CFTR-Modulator auf dem Markt, der sehr vielen Menschen mit Mukoviszidose hilft und ihre Lebensqualität erheblich verbessert. Aber es gibt auch einige Betroffene, die mit starken Nebenwirkungen zu kämpfen haben. Eine von ihnen ist Benita, die Kaftrio absetzen musste, es aber inzwischen wieder nehmen kann.
Ich habe mit Kaftrio im Herbst 2020 begonnen. Zum ersten Mal habe ich das Medikament in der Früh, bevor ich zur Schule ging, eingenommen. Zu diesem Zeitpunkt ging es mir verhältnismäßig gut. Da es Herbst war und die Schule bereits begonnen hatte, hatte ich natürlich leichte Erkältungssymptome (wie jedes Jahr zu dieser Zeit).
Innerhalb von ein paar Stunden begann das Medikament zu wirken. Als ich in der Schulpause die Treppe zum dritten Stock hochging, machte meine Lunge urplötzlich kein Geräusch mehr. Normalerweise bekam ich auf der Treppe immer Atemnot oder wurde kurzatmig und begann ein bisschen zu keuchen.
Ich erinnere mich heute noch an die Angst, die ich in diesem Moment hatte. Mir wurde schon früh beigebracht, dass ich umgehend die Ärzte kontaktieren soll, wenn das passiert, weil es sein könnte, dass ein Lungenflügel kollabiert ist. Also rief ich erstmal meine Mutter an, die mich dann beruhigte.
In den nächsten Tagen bekam ich erstaunlich gut Luft. Ich hatte keine Bauchschmerzen mehr, mein Blutzucker war im Normbereich, ich war nicht mehr müde. Normalerweise war ich spätestens am Donnerstagabend total k.o. von der Schule etc. und schleppte mich Freitag nur noch so durch. Doch plötzlich war ich morgens wach, leistungsfähiger, bekam in der Schule mehr mit.
Über Wochen verbesserte sich meine Situation, mir ging es aber dennoch nicht gut. Ich hatte irgendwie das Gefühl, nicht zu wissen, was ich mit mir anfangen solle, da ich normalerweise mit haufenweise Therapie beschäftigt war. Ich hatte keine Aufgabe mehr und meine Alltagsroutine brach auseinander. Da ich ein absoluter Strukturmensch bin, war das mit das Schlimmste, was passieren konnte.
Das ging dann ein paar Wochen so weiter, körperlich top, psychisch flop. Mit der Zeit bemerkte ich, dass ich wieder Bauchschmerzen bekam, und meine Haut seltsam juckte und errötete. Nach ein paar Tagen hatte ich bereits extreme Bauchschmerzen und überall einen Ausschlag am ganzen Körper, der immer schlimmer wurde (siehe Bild). Das Ganze wurde so schlimm, dass ich irgendwann die Ärzte kontaktierte.
Alle rätselten über diese seltsamen Symptome, bis mein behandelnder Arzt schlussendlich entschied, es wäre besser, Kaftrio wieder abzusetzen. Gesagt, getan! Nach ein paar Tagen hatte ich also meine Routine wieder zurück, aber körperlich wurde ich krank und alle Symptome, die ich sonst immer hatte, traten wieder auf.
Im darauffolgenden Frühling wurde dann bekannt, dass viele Frauen die hormonelle Verhütung absetzen und Kaftrio dann wohl besser funktionieren sollte. Ich hatte mir ein Jahr zuvor (ein paar Wochen, bevor Kaftrio eine Zulassung erhielt) das Hormonstäbchen in den Oberarm einsetzen lassen.
Da mir – um es einfach und verständlich zu sagen – Sauerstoff aber wichtiger als Verhütung war, beschloss ich, mir das Stäbchen wieder entfernen zu lassen. Ein paar Wochen später startete ich wieder mit Kaftrio. Diesmal klappte es besser und mein Zustand verbesserte sich von Woche zu Woche. Inzwischen ist meine Lungenfunktion ohne vorherige Inhalation bei einem Wert von 106, ich bin leistungsfähiger und habe viel mehr Lebensqualität.
Wenn ich mir mein Leben jetzt und mein Leben vor Kaftrio so ansehe, kann ich es eigentlich gar nicht mehr vergleichen. Mein Alltag und meine Gesundheit haben sich um 180 Grad gedreht.
Psychische Nebenwirkungen bleiben dennoch nicht aus: Ich befinde mich immer noch in einer Art Identitätskrise, da ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Dennoch nehme ich das in Kauf, da ich so eine viel höhere Lebensqualität habe als zuvor. Ich verhüte heute nicht mehr hormonell, da sich herausstellte, dass auch bei mir die Hormone Schuld an meinen anfänglichen Beschwerden waren.
Benita
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