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Nicht sichtbar, aber da – persönliche Erfahrungen mit Krankheit, Zweifel und Menschlichkeit

Sandra hat uns geschrieben, um ihre Gedanken zum Thema Mukoviszidose mit uns zu teilen. Denn für sie ist es oft schwierig, mit einer unsichtbaren Krankheit zu leben, da es Menschen gibt, die ihre Krankheit daher nicht ernst nehmen. Dieser Blogbeitrag ist ihr Appell für mehr Menschlichkeit.

Was andere sagen

„Sandra, wenn’s wirklich so ernst wäre, wärst Du doch längst im Krankenhaus, oder?“ „Also, ich habe dich ewig nicht mehr husten hören. Dann geht’s Dir doch grad ganz gut, oder?“ „Ich habe gesehen, dass Du wieder ein bisschen Sport machst – das würde doch niemand mit so einer schlimmen Krankheit hinkriegen.“ „Früher in der Schule hast Du doch auch alles mitgemacht – war das da schon Thema?“

Solche und ähnliche Sätze bekomme ich zu hören – immer wieder. Und manchmal bleibt nur diese eine Frage im Kopf: Warum? Warum glauben manche erst an eine Krankheit, wenn es sichtbar, dramatisch oder lebensbedrohlich wird?

Mukoviszidose ist eine unsichtbare Krankheit

Wenn man den Reaktionen mancher Menschen glaubt, dann bin ich nicht einfach nur krank – nein, ich bin offenbar eine Meisterin der Manipulation. Ständig habe ich das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. Als müsste ich beweisen, dass ich wirklich, tatsächlich, zweifelsfrei krank bin – am besten zu 100.000 %. 

Es reicht nicht, dass man sagt, wie es einem geht. Es reicht nicht, dass man funktioniert, obwohl man innerlich zusammenbricht. Ich soll am liebsten Diagnosen aufzählen, Atteste vorlegen, Symptome nachweisen. Immer wieder. Immer mehr.

Worte können verletzen

Und was mich dabei am meisten verletzt: Es geht nicht nur darum, mir nicht zu glauben. Sondern man impliziert damit auch, dass mein gesamtes Umfeld in eine riesige Lüge verwickelt ist. Dass ich meine Familie, meine Freunde, meine Schwiegereltern, den Vater meines Kindes – ja sogar mein eigenes Kind – in ein krankhaftes Schauspiel einbinde. Dass ich Ärztinnen, Kliniken, Krankenhäuser, Psychologinnen, Gutachter*innen, Behörden, ja sogar Arbeitgeber beeinflusse oder besteche. 

Wie absurd ist das eigentlich? Wer hätte gedacht, dass einem so viel Überzeugungskraft unterstellt wird? So viel Raffinesse? Diese Art von Macht – die will niemand. Und ehrlich gesagt – ich will das auch gar nicht sein!

Was jedoch wirklich unbegreiflich bleibt: Welchen Nutzen haben Menschen davon, den Schmerz anderer zu leugnen? Was genau gewinnen sie daraus? Mehr Gesundheit? Bessere Karriereaussichten? Stabilere Familien? Selbst wenn ein offizieller Nachweis alle Zweifel beseitigen würde – was ändert das für sie?

Gar nichts. Nicht das Geringste. Es verändert einzig und allein den Blick auf mich – und dafür ist es dann oft schon zu spät. Ich will nicht erklären müssen, warum ich nicht "krank genug" aussehe. Ich will nicht hinterfragt werden, weil man an einem guten Tag lacht oder einen Schritt vor die Tür wagt. Niemand sollte gezwungen sein, sein eigenes Leid sichtbar zu machen, um ernst genommen zu werden.

Die Erschöpfung kommt nicht nur von der Krankheit. Sie entsteht auch durch den ständigen Druck, sich beweisen zu müssen. Ich wünsche mir, dass Menschen erkennen: Nur weil man etwas nicht sehen kann, heißt das nicht, dass es nicht real ist. Nur weil jemand still leidet, heißt das nicht, dass er lügt. Und nur weil Du es Dir nicht vorstellen kannst, heißt das nicht, dass es nicht passiert.

Appell für mehr Menschlichkeit

Bitte glaubt Menschen, wenn sie sagen, dass es ihnen schlecht geht. Nicht erst, wenn sie zusammenbrechen. Nicht erst, wenn es "offiziell" wird. Sondern jetzt. Sofort. Ohne Bedingung. Denn Vertrauen ist keine Gnade, es ist Menschlichkeit.

Und trotzdem – trotz all der Zweifel, der Kälte und dem Unverständnis, bin ich hier. Ich stehe, spreche, teile. Nicht, um Mitleid zu bekommen, sondern um Bewusstsein zu schaffen. Nicht, um zu klagen, sondern um Mut zu machen. Denn es gibt auch Menschen, die zuhören, die fragen, statt zu urteilen, die einfach da sind – leise, aber echt.

Und jeder einzelne von ihnen ist der Beweis: Empathie existiert. Vertrauen ist möglich. Heilung beginnt dort, wo wir aufhören, gegeneinander zu kämpfen – und anfangen, einander zu glauben. Lasst uns diese Räume gemeinsam schaffen.

Für Verständnis. Für Respekt. Für Menschlichkeit.

Und für all jene, die keine Kraft mehr haben, sich zu erklären.

Sandra
 

Hilfe in Krisensituationen

Wenn Du das Gefühl hast, nicht mehr weiterzukommen:

* Telefonseelsorge (Deutschland)
0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 – anonym, rund um die Uhr, kostenfrei

* Krisenchat
Für junge Menschen bis 25 Jahre – auch per WhatsApp erreichbar

* Nummer gegen Kummer
Für Kinder, Jugendliche und Eltern
116 111 – kostenlos und anonym

Der Mukoviszidose e.V. bietet eine Psychologische Beratung in Krisenzeiten an. 

Informationen zur Psychologischen Beratung

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Zuletzt aktualisiert: 09.05.2025