Neulich saß ich in der Bahn und freute mich auf meinen wohlverdienten Feierabend. Während ich mich so vor mich hin freute, spürte ich ein plötzliches Kratzen im Hals. Es fühlte sich an, als würde dort eine Ameise einen wilden Tanz aufführen. Ich räusperte mich vernehmlich und einige Mitfahrende schauten mich bereits genervt an. Da dachte sich mein Husten, okay, jetzt bekommt ihr einen echten Grund zum genervt sein. Eine Hustenattacke, die ihres Gleichen sucht, brach aus mir heraus und erschreckte ausgesprochen erfolgreich das gesamte Bahnabteil. Immerhin konnte ich noch schnell ein Taschentuch aus meinem Rucksack fummeln und es mir vor den Mund halten.
Menschen mit Mukoviszidose kennen das: Hustenanfälle in den unpassendsten Momenten, gerne auch vor Publikum. In der Bahn, im Kino, Theater, Restaurant, während einer Sitzung, beim ersten Date usw. Dem Husten erscheint kein Ort zu ungeeignet. Die Reaktionen der Leute darauf sind vielfältig. Mir wurden Hustenbonbons zugesteckt, herzhaft auf den Rücken gehauen, es wurde wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen, um sich schnellstmöglich von mir zu entfernen, mir wurde böse zugeraunt „Wer erkältet ist, soll zu Hause bleiben!“ etc. pp. Zugegeben, ich weiß nicht, ob ich in diesen Momenten selber neben mir sitzen bleiben wollte – wahrscheinlich eher nicht.
Ich würde gerne souverän mit diesen unfreiwilligen Peinlichkeiten umgehen können, aber es gelingt mir selten – so cool bin ich einfach nicht. Solche Hustenattacken erlebe ich wie einen totalen Kontrollverlust. Je mehr ich versuche damit aufzuhören, desto weniger gelingt mir das. Das macht mich hilflos und ich fühle mich der Situation vollkommen ausgeliefert. Es nervt mich, wenn der Husten von mir als Person ablenkt und meine Krankheit viel zu sehr in den Vordergrund stellt, sowas stigmatisiert meiner Meinung nach automatisch. Obwohl ich Kaftrio nehme, erlebe ich leider immer wieder heftige Reizhustenphasen. Ein Grund dafür konnte bislang nicht gefunden werden.
Was habe ich nicht schon alles versucht. Entspannungstraining, bestimmte Atemübungen, Osteopathie (hilft mir bisher am besten) und es gibt keine Hustenbonbonsorte, die ich nicht schon gelutscht hätte. Niemals würde ich ohne diese Bonbons und ohne Flasche Wasser aus dem Haus gehen. Grundsätzlich würde ich es vorziehen, in der Öffentlichkeit gar nicht mehr zu husten, aber das ist unrealistisch. Insofern versuche ich, bei Hustenanfällen nicht sofort die Nerven zu verlieren, möglichst ruhig zu atmen und den Fokus hauptsächlich auf mich zu lenken und nicht auf die Leute um mich herum. Das gelingt mir natürlich nicht immer. Irgendwie gehört der Husten ja auch zu mir, deshalb sollte es mir noch viel egaler werden, was die Leute von mir denken könnten. Ich fürchte, dass bleibt meine fortwährende Herausforderung.
Simona Köhler, Jahrgang 1967, eine lebenserfahrene Mukoviszidose-Betroffene, lebt mit ihrem Mann in Pinneberg. Sie wurde u.a. zur Tanzpädagogin ausgebildet und unterrichtete viele Jahre Tanz. Nach dem Verwaltungsstudium arbeitet sie heute in der Hamburger Kulturbehörde als Referentin für Kinder- und Jugendkulturprojekte. Seit ihrem 18. Lebensjahr engagiert sie sich ehrenamtlich für Menschen mit Mukoviszidose.
Wie das Tanzen ist auch das Schreiben für sie eine Möglichkeit, unklaren Gefühlen zu begegnen oder den Kopf wieder frei zu bekommen. Mit ihren Texten möchte sie ihre Erfahrungen im Umgang mit Mukoviszidose weitergeben. Zunehmend setzt sie sich in ihren Texten kritisch mit „Ableismus“ auseinander, um für dieses Thema zu sensibilisieren.
Auf Instagram findet Ihr Simona unter @simonatanzt.
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