Grundsätzlich sehen wir als Verein es als Hauptziel einer jeden medizinischen Einrichtung an, die jeweiligen Patientinnen und Patienten so gut wie möglich zu versorgen. Um dies in den CF-Ambulanzen auch wirklich umsetzen zu können, ist es sehr wichtig zu verstehen, was Qualität in der Versorgung von Mukoviszidose für die Betroffenen selbst bedeutet. Ingo Sparenberg und Ilka Schmitzer aus dem Redaktionsteam unseres vereinseigenen Magazins „MUKOinfo“ fassen dabei ihre persönlichen Erfahrungen als CF-Patienten sowie die Ergebnisse einer Umfrage aus dem Juni 2023 wie folgt zusammen:
„Sich Zeit nehmen“ wird wahrscheinlich als der größte Wunsch genannt. Ein offenes Ohr, ein aufmunterndes Wort, Zeit geben, um Gehörtes zu verarbeiten und ein gemeinsames Suchen nach Lösungen, damit man umgehend das Gefühl hat, nicht nur eine Nummer oder Akte zu sein. Viele sprechen auch davon, gern einen Arzt als „Berater“ zu haben. „Nicht von oben herab“ und „auf Augenhöhe wäre schön“, ist einige Male zu lesen. Natürlich sind CF-ler keine Mediziner und möchten sich keinesfalls über den Arzt stellen, jedoch sind Menschen mit Mukoviszidose in Bezug auf den eigenen Krankheitsverlauf fast alle sehr fachkundig. Und das soeben beschriebene offene Ohr, die mentale Komponente ist so manches Mal, gerade bei den älteren Erwachsenen, wichtiger als die Therapiebesprechung. Individuelle Therapie heißt eben auch, nicht sichtbare Probleme zu behandeln, führen Sparenberg und Schmitzer weiter aus.
Grundsätzlich ist dabei hervorzuheben, dass laut der Umfrage viele Menschen mit Mukoviszidose auch sehr zufrieden mit ihren Ambulanzen sind. Vieles, in manchen Ambulanzen sogar sehr Vieles, läuft super. Neben den bereits genannten Bedürfnissen der Betroffenen, bleiben jedoch andere Aspekte deutlich schwerer umzusetzen.
So wird auch immer wieder der Wunsch nach gutem Zeitmanagement und Organisation – Stichwort kurze Wartezeiten – genannt. Und besonders für Menschen mit CF, die mit schwereren Krankheitsverläufen oder generell einer schlechteren gesundheitlichen Verfassung in die Ambulanz gehen, sind auch lange Wege oder Mobilitätshürden, wie z.B. Treppen, zwischen einzelnen Stationen eines Ambulanztermins ein leidiges Thema. Derartige Probleme sind jedoch stark von den strukturellen Gegebenheiten in den jeweiligen Ambulanzen abhängig und liegen damit meist außerhalb der Kontrolle eines Ambulanzteams. Dementsprechend sind diese Probleme nicht nur eine mögliche Belastung für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für die behandelnden Personen selbst.
Insbesondere die Personalnot – ein aktuell weit verbreitetes Thema im gesamten Gesundheitssystem – beschäftigt die CF-Ambulanzen, wie Prof. Dr. Carsten Schwarz aus der Ambulanz in Potsdam und Dr. Holger Köster aus der Ambulanz in Oldenburg berichten. Dabei spielen auch Veränderungen in der gesundheitlichen Lage und Versorgung von Menschen mit Mukoviszidose eine große Rolle, so die beiden Ärzte:
„Die Herausforderungen werden nicht mehr, sondern anders. Früher war der Pseudomonas ein großes Problem, heute haben wir ganz andere Probleme. Wir haben fast keine IV-Therapien mehr, dafür jedoch psychische Probleme, Probleme mit der demografischen Entwicklung, weil mehr Ärzte in den Ruhestand gehen als Nachwuchs nachkommt.“ – Dr. Köster
„Weil die Komplexität so zunimmt, möchte kaum ein junger Arzt mehr CF behandeln. Es ist schwierig, Nachwuchs zu finden. Jahrzehntelange Erfahrung verschwindet, weil Ärzte in den Ruhestand gehen und damit wird das Know-how weniger.“ – Prof. Dr. Schwarz
Natürlich sind aus Perspektive der Behandler aktuelle Entwicklungen in der CF-Therapie trotzdem sehr schön und bereichernd. „Es tauchen neue positive Themen auf wie Kinderwunsch, Familienplanung, größere Motivation, normal zu leben, Beruf und Ausbildung. Früher waren die Themen, ab wann Rente, Leiden vermindern und so weiter“ merkt Prof. Dr. Schwarz an. „Es geht nicht mehr ums Überleben, es geht nicht mehr um den Moment. Es geht um eine Zukunftsperspektive“.
Um diese Zukunftsperspektiven aber auch wirklich ambulant begleiten zu können, sind behandelnde Einrichtungen auch auf eine langfristige Finanzierung angewiesen. Und die Finanzierung einer CF-Ambulanz gestaltet sich durchaus als Herausforderung. Prof. Dr. Schwarz führt weiter aus:
„Die Finanzierung einer CF-Ambulanz läuft extrem viel durch Querfinanzierung aus der Forschung. In unserer Ambulanz zum Beispiel sind drei Viertel der Behandler über die Klinik finanziert, der Rest über Drittmittel. Die „ambulante spezialärztliche Versorgung“ (ASV) hat etwas erweitert, was man abrechnen kann. Dies bedeutet zwar mehr Vergütung, allerdings auch mehr Dokumentation. Physio- und Ernährungstherapeuten sowie Sozialarbeiter müssen alles dokumentieren; alles ist mit viel Bürokratie verbunden. Eigentlich wollen wir aber unsere Zeit gern für die Patienten nutzen.“
Zeit für eine persönliche Betreuung der einzelnen Patienten, die sich die Betroffenen ja auch ausdrücklich wünschen, ist also im Alltag der Ärztinnen und Ärzte nicht immer leicht zu finden. Dazu kommt, dass an dieser Stelle natürlich auch ein gewisser Interessenskonflikt herrscht. So ist es für Menschen mit Mukoviszidose sehr hilfreich, jederzeit auf ärztliche Beratung und Betreuung zurückgreifen zu können. Und auch die Behandler wissen, dass man bei Not-Anrufen „in 5 Minuten ganz viel Schaden verhindern kann“, wie Prof. Dr. Schwarz es ausdrückt. Gleichzeitig kann ein CF-Arzt nicht täglich 24 Stunden im Dienst sein. „Das Loslassen nach Feierabend ist ganz wichtig. Wir sind gerne für unsere Patienten da, jedoch eben nicht komplett 24 Stunden am Stück“.
An solchen Stellen abzuwägen und die verschiedenen Interessen von Menschen mit CF, ihren Behandlern und deren jeweiligen Umständen miteinander zu vereinbaren, um möglichst viele Qualitätsaspekte in einer Ambulanz zu erfassen, ist eines der Ziele des Zertifizierungsverfahrens MUKOzert. Damit soll erreicht werden, dass eine hochwertige Behandlung der Patienten stattfinden kann, ohne dabei jedoch unrealistische Ansprüche an die einzelnen Ambulanzen und deren Mitarbeitende zu stellen.
Das Zertifizierungsverfahren für Mukoviszidose-Einrichtungen MUKOzert ist seit 13 Jahren deutschlandweit etabliert. Sein Ziel ist, dass sich die Ambulanzen in ihrer Struktur und ihren Abläufen stetig hinterfragen und dadurch eine Qualitätsentwicklung stattfindet. Denn niemals sind alle Vorgänge, Strukturen oder Abläufe perfekt, es gibt immer Verbesserungspotenzial. Natürlich bedeutet das nicht, dass nicht-zertifizierte CF-Ambulanzen keine Qualitätskriterien erfüllen. Bei zertifizierten Ambulanzen werden sie aber durch das MUKOzert-Team genau abgefragt und durch Besuche (Visitationen) überprüft.
Dabei werden, auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und auch der Bedürfnisse und Gegebenheiten bei Patienten und Behandlern eine Reihe von Gütekriterien überprüft. Dazu gehört, dass es neben der ärztlichen Versorgung ein CF-Team gibt, also CF-erfahrene Ernährungsfachleute, Physiotherapeuten, Pflegende und Fachkräfte, die sich mit sozialrechtlichen Fragen zu CF auskennen. Diese Fachleute sind möglicherweise nicht im selben Haus, der CF-Arzt kann aber den Kontakt vermitteln und bietet mindestens einmal jährlich dort einen Termin oder eine Überweisung für eine Behandlung oder Beratung an. Mindestens einmal jährlich werden auch andere Untersuchungen durchgeführt, wie ein Diabetes-Screening, spezielle Keimdiagnostik oder die Abfrage der psychischen Gesundheit.
Außerdem wird bei der Zertifizierung auch stark auf geregelte Abläufe und Routinen geachtet. Demnach sollen durch die regelmäßige Behandlung von Menschen mit Mukoviszidose zu allen Aspekten der Krankheit routinierte Abläufe etabliert sein, die schriftlich festgehalten werden. Auch das Ausstellen eines schriftlichen Therapie- und Medikationsplans sowie ein angemessenes Hygienekonzept für die Räume der ambulanten Versorgung gehören zu den Gütekriterien. Zudem sind Informationen über und auch die Vernetzung und Zusammenarbeit mit der regionalen Selbsthilfe sowie ein eigener Patientenbeirat entscheidend für die Zertifizierung.Und da erfreulicherweise immer mehr Menschen mit CF das Erwachsenenalter erreichen, gehört auch die Transition zur Erwachsenentherapie, im Optimalfall durch den Wechsel von Kinder- in Erwachsenenklinik, bei der die Betroffenen gezielt auf ein selbstbestimmtes und autonomes Leben mit Mukoviszidose vorbereitet werden.
Wo die Zertifizierung hingegen keine konkreten Ansprüche formuliert, sind die bereits erwähnten Bereiche einer ambulanten Behandlung, die stark mit den strukturellen Gegebenheiten vor Ort zusammenhängen. Kurze Wartezeiten, freie Parkplätze oder auch ein persönlicher Betreuer während eines gesamten Ambulanztermins sind für Patienten zwar wünschenswert, können aber aus verschiedenen Gründen von einer Ambulanz nicht gewährleistet werden. Ebenso ist nicht zu erwarten, dass eine Ambulanz ihren Patientinnen und Patienten unaufgefordert Rezepte ausstellt und auch der behandelnde CF-Arzt kann nicht rund um die Uhr telefonisch erreichbar sein – ein Notdienst muss aber eingerichtet sein.
Die Hauptaufgabe einer Ambulanz liegt in der guten medizinischen Versorgung der Patienten. Viele Prozesse können standardisiert werden, aber Dinge wie bauliche Voraussetzungen, Einbindung in das große Ganze einer Klinik oder Personalschlüssel sind vorgegeben. Die Mitarbeiter versuchen, die bestmögliche Versorgung ihrer Patienten aus diesen Gegebenheiten herauszuholen. Beim Besuch von CF-Ambulanzen im Rahmen der Zertifizierung (Visitationen) ist immer wieder aufgefallen, mit wie viel organisatorischem und persönlichem Einsatz CF-Teams Hürden überwinden und die gute Versorgung gewährleisten.
CF-Einrichtungen in Deutschland (mit Filtermöglichkeiten für zertifizierte Ambulanzen)
Mehr zur Zertifizierung von CF-Ambulanzen
Dieser Text setzt sich zusammen aus den folgenden drei Beiträgen, die im vereinseigenen Magazin MUKOinfo als Beitragsreihe „Versorgung in der CF-Ambulanz“ erschienen sind:
Die Zusammenstellung und Ausführung der Texte erfolgte durch Jakob Kratzer, Mukoviszidose e.V.
Rundum versorgt? – Verschiedene Blickwinkel auf Qualität in CF-Ambulanzen
Pauline Stopp: „Mukoviszidose ist Teil meiner Identität“