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„Würdest Du Deine Krankheiten behalten, wenn Du wählen könntest?“ - Eine ehrliche Reflexion

Wie vielen chronisch erkrankten Menschen wird auch Simona öfter die Frage gestellt, ob sie ihre Krankheiten am liebsten abgeben würde. In diesem Blogbeitrag hat sich unsere Autorin, Jahrgang 1967, die mit Mukoviszidose, Hochtonschwerhörigkeit und CF-Diabetes lebt, dieser Frage gestellt.

Mir, und vermutlich den meisten chronisch kranken oder behinderten Menschen auch, wurde diese Frage schon häufiger gestellt. Ich finde sie gar nicht so einfach zu beantworten, wie es zunächst scheint. 

Wunsch: ohne Mukoviszidose leben

Meine spontane, ehrliche Antwort darauf ist: Nein, auf keinen Fall.

Natürlich würde ich liebend gerne ohne Mukoviszidose leben. Ohne den insulinpflichtigen Diabetes Typ 3c, ohne Hörbehinderung und ohne rheumatische Schmerzen. Ohne ständige Arztbesuche, endlose Therapien, körperliche Erschöpfung und das ständige Jonglieren mit Kohlenhydraten und Insulineinheiten. Ohne die Unsicherheit, ob der Körper heute „mitspielt“ oder nicht. Einfach mal Entscheidungen treffen, ohne sie krankheitsbedingt abwägen zu müssen.

Ich wünsche mir ein Leben mit weniger Einschränkungen, mehr Leichtigkeit, mehr Energie und vor allem mit mehr Freiheit. Das würde mir mehr Zeit und Kraft für die Dinge geben, die mir wichtig sind und die ich gerne machen möchte. 

Je öfter mir diese Frage allerdings begegnet, desto klarer wird mir, wie problematisch sie eigentlich ist. Denn sie suggeriert, dass Krankheit eine Art Wahl sei. Als hätte man die Möglichkeit, zwischen gesund und krank zu entscheiden, als wäre das eine bewusste Lebensentscheidung. So funktioniert das Leben aber nicht.

Es gibt kein einfaches „Entweder-Oder“. Es ist immer ein „Sowohl-als-auch“. Man kann sich Gesundheit wünschen und annehmen, was das Leben mit sich bringt. Man kann Krankheiten haben und ein erfülltes, wertvolles Leben führen. Selbst Menschen, die gesund geboren werden, sind nicht automatisch ein Leben lang davor geschützt, krank zu werden. Nichts davon ist garantiert. Das Leben ist nicht bzw. kaum berechenbar.

Die Mukoviszidose hat Simonas Leben maßgeblich geprägt

Manchmal frage ich mich, ob ich ohne meine Erkrankungen die Person wäre, die ich heute bin? Die ehrliche Antwort: Vermutlich nicht.
So sehr ich mir auch wünsche, gesund zu sein, so kann ich schlecht leugnen, dass meine Krankheiten mein Leben maßgeblich beeinflussen und mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich heute bin. 

  • Sie haben mir geholfen, mich selbst besser kennenzulernen.
  • Sie haben mich gelehrt, auf meine Bedürfnisse zu hören. Oft notgedrungen, aber konsequent.
  • Sie haben in mir eine Stärke wachsen lassen, die mich selbst manchmal überrascht.
  • Sie haben mir gezeigt, wie unglaublich wertvoll kleine Momente und kleine Erfolge sein können.
  • Sie haben mich dazu gebracht, Verantwortung für mein Leben zu übernehmen, jeden Tag neu.
  • Und sie haben mich gelehrt, dass nicht jeder Tag gut sein muss, um trotzdem wichtig zu sein.

Wunsch nach Gesundheit – und Dankbarkeit für das Leben mit den Krankheiten

In mir vereinen sich also zwei scheinbar widersprüchliche Dinge: Der Wunsch nach einem gesunden Leben und Dankbarkeit für das, was ich aus meinem Leben mit den Krankheiten gemacht und daraus gelernt habe.
Ich würde meine Erkrankungen auf keinen Fall romantisieren oder verklären wollen, denn die Realität ist oft brutal, erschöpfend und frustrierend. Aber sie sind eben auch Teil meiner Geschichte und sie haben mich zweifelsohne geprägt, aber sie definieren mich nicht als Mensch.

Vielleicht ist das der ehrlichste Umgang mit dieser Frage:
Wenn ich wählen könnte, würde ich die Krankheiten abgeben, aber nicht den Menschen, der ich dadurch geworden bin.

Ich persönlich finde, dass es sich lohnt, einmal über diese Frage zu reflektieren. Für mich hat es noch einmal den Blick auf mein Leben geschärft. 

Simona

Über die Autorin

Simona Köhler, Jahrgang 1967, eine lebenserfahrene Mukoviszidose-Betroffene, lebt mit ihrem Mann in Pinneberg. Sie wurde u.a. zur Tanzpädagogin ausgebildet und unterrichtete viele Jahre Tanz. Nach dem Verwaltungsstudium arbeitet sie heute in der Hamburger Kulturbehörde als Referentin für Kinder- und Jugendkulturprojekte. Seit ihrem 18. Lebensjahr engagiert sie sich ehrenamtlich für Menschen mit Mukoviszidose. 

Wie das Tanzen ist auch das Schreiben für sie eine Möglichkeit, unklaren Gefühlen zu begegnen oder den Kopf wieder frei zu bekommen. Mit ihren Texten möchte sie ihre Erfahrungen im Umgang mit Mukoviszidose weitergeben. Zunehmend setzt sie sich in ihren Texten kritisch mit „Ableismus“ auseinander, um für dieses Thema zu sensibilisieren. 

Auf Instagram findet Ihr Simona unter @simonatanzt.

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Zuletzt aktualisiert: 04.09.2025