Carmens Sohn Lukas hat Mukoviszidose und ist heute acht Jahre alt. Nach einer schweren Zeit, in der der Junge leider auch viel Diskriminierung erfahren hat, geht es ihm heute – auch dank der modernen Medizin – gut. Seine Mutter hat uns seine Diagnose-Geschichte erzählt – und wünscht sich eine tolerantere Gesellschaft, in der Kinder akzeptiert und integriert werden, so wie sie sind.
Hatten Sie schon einmal von Mukoviszidose gehört, bevor bei Ihrem Kind die Krankheit diagnostiziert wurde?
Ja, hatten wir tatsächlich schon. Mein großer Sohn (heute 12 ½ Jahre alt) hatte Kleinkindasthma. Unser Kinderarzt ist einer der wenigen in Essen, der bei dieser Diagnose je nach Verlauf als Ausschlussuntersuchung bei Kindern einen Schweißtest veranlasst. Dadurch waren wir mit unserem großen Sohn bereits in der CF-Ambulanz in Essen gewesen und hatten diesen machen lassen. Aber das bedeutet nicht, dass ich mich mit der Krankheit auseinandergesetzt habe. Bei meinem großen Sohn war der Test nämlich negativ und damit war das Thema für mich erstmal nicht mehr präsent. Es war zu diesem Zeitpunkt ja auch nicht mehr notwendig, sich damit zu beschäftigen.
Anders war es dann bei Lukas: Bei der Diagnosestellung unseres zweiten Kindes war letztlich auch das Bauchgefühl unseres Kinderarztes ausschlaggebend. Der Arzt wird dafür sicherlich belächelt, dass er so viele Kinder zum Schweißtest schickt, aber unseren Sohn Lukas hat genau diese Vorsicht gerettet. Ich bin unserem Kinderarzt von Herzen dankbar dafür. Bei ihm kam aber so schon sehr früh heraus, dass er Mukoviszidose hat.
Wie wurde bei Lukas Mukoviszidose festgestellt?
Als Lukas geboren wurde, gab es das Neugeborenen-Screening auf Mukoviszidose noch nicht. Bei ihm war es eine Verkettung unglücklicher Umstände, warum die Mukoviszidose erst nicht auffiel. Er hatte z.B. keinen Darmverschluss bei der Geburt, was ja ein klassisches Symptom für CF wäre.
Lukas hatte direkt nach der Geburt eine Neugeborenen-Sepsis, dadurch kam er sofort auf die Intensivstation. Alle Symptome wurden zunächst auf die Sepsis durch das grüne Fruchtwasser geschoben. Nach einer Woche ging es ihm besser und es fiel weiter nichts auf. Acht Wochen später landeten wir aber erneut wegen einer Sepsis im Krankenhaus, die anscheinend aus einer Bindehautentzündung heraus entstanden war. Da wurden die Ärzte zwar stutzig, haben das aber auch auf die noch nicht lange zurückliegende „schwere“ Geburt geschoben. Einige Zeit später nahm Lukas dann aber nicht mehr zu, wurde dünner und entwickelte sich motorisch nicht weiter – und da kam bei mir zum ersten Mal der Gedanke, dass bei ihm etwas nicht stimmte. Unser Kinderarzt hat das zum Glück auch ernstgenommen.
Zunächst haben wir Lukas hochkalorischer gefüttert, was aber keine Erfolge brachte. Bauchschmerzen, Durchfälle und keine Gewichtszunahme waren alltäglich. Zu Ostern bekam Lukas eine Bronchitis. Ich kannte das ja schon von meinem Älteren, wenn ein Kind Kleinkindasthma oder spastische Bronchitis hat, aber Lukas‘ Husten war anders – irgendwie viel schlimmer und wesentlich mehr Schleim. Also sind wir wieder zum Kinderarzt, der uns dann wieder (wie beim Großen) zum Ausschluss der Mukoviszidose zum Schweißtest überwies.
Und dann stand mit sieben Monaten die Diagnose Mukoviszidose fest.
Lukas hatte zu diesem Zeitpunkt schon seine Hilfsmuskulatur zum Atmen aktiviert und war insgesamt in einem wirklich schlechten Zustand. Der Ambulanzarzt wollte ihn deshalb gleich im Krankenhaus zur IV-Therapie behalten. Für mich kam da der Gedanke, dass er jetzt entweder die Kurve kriegen würde oder das ganze schlecht ausgehen könnte. Aber Lukas ist ein sehr willensstarkes Kind, der das – auch mit seinen wenigen Monaten – schaffen wollte und geschafft hat.
Und dann hat Lukas direkt eine IV-Therapie bekommen?
Ja, genau. Und innerhalb dieser zwei Wochen hat er einen wahnsinnigen Sprung gemacht – motorisch und gesundheitlich.
Ich war z.B. mit Lukas vorher beim PEKIP. Er war so ein kleines „Spinnewippchen“, hatte nicht viel auf den Knochen und konnte kaum Muskeln aufbauen. Jedes Kind ist anders und als Mutter versucht man/ sollte man Kinder in ihrer Entwicklung nicht vergleichen, aber es fiel schon sehr auf, dass er bestimmte motorische Fähigkeiten einfach nicht hatte.
Innerhalb der zwei Wochen im Krankenhaus hat er es geschafft, sich z.B. eigenständig zu drehen, sich zu bewegen. Das war für uns wahnsinnig schön zu sehen.
Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie von der Diagnose gehört haben?
Meine ersten Gedanken….da war nichts – rein gar nichts – nur eine große Leere. Dann kam das Fragezeichen. Und nun? Es gab bereits „Baustellen“ die zu bewältigen waren und nun kam eine weitere ungefragt und ohne Bauplan hinzu.
Da Lukas direkt in der Uniklinik bleiben sollte, blieb auch nicht viel Zeit zum Denken. Ich hatte ja auch noch meinen großen Sohn. Also musste erstmal organisiert werden (Kita, zu Hause, etc.) Und als wir dann im Krankenhaus waren und ich nichts mehr zu organisieren hatte, war auch Zeit zum Nachdenken.
Ich habe also erstmal geweint….. Nach einer gewissen Zeit und den guten Worten einer Schwester der Station, kam mir der Gedanke: „Warum heulst Du eigentlich?“ Hatte ich Selbstmitleid oder weinte ich wegen meines Kindes? Und zuerst war da sicherlich Überforderung, Selbstmitleid und Angst vor dem Ungewissen (Wie lange ist Lukas auf dieser Welt? Wie ist seine Lebenserwartung?). Irgendwie fand ich das meinem Kind gegenüber aber unfair – er hat ja schließlich den Mist, nicht ich. Also sagte ich mir, dass ich aufhören musste zu weinen. Planen, organisieren, nachfragen ja, aber nicht weinen.
Wir sind in einem starken medizinischen Team aufgefangen worden. Eine Krankenschwester (die dieses Jahr in Rente geht) sagte zu mir: „Es ist in Ordnung zu weinen! Manchmal muss es raus – dann lässt man es raus. Aber für manche Tränen wie z.B. bei Trauer gibt es eine Zeit, in der sie fließen können, aber die ist nicht jetzt. Lukas hat jetzt die Diagnose bekommen und jetzt wird ihm geholfen, also ist jetzt nicht die Zeit, um um ihn zu trauern! Wenn es tatsächlich mal so weit sein sollte, weinen wir gemeinsam!“ Und damit hatte sie recht. Wir konnten froh sein, die Diagnose zu haben, darüber, dass wir in Deutschland wohnen und dass es Medikamente dafür gibt. Das alles hat mir sehr geholfen.
Es ist Lukas, der die Krankheit hat und meine Aufgabe als Mutter ist es, ihn auf seinem Lebensweg zu begleiten – wie lange dieser Lebensweg auch sein mag.
Mein Mann hat sich da erstmal schwerer mitgetan.
Er hat das schwerer genommen?
Ja. Er war zunächst völlig geschockt von der Diagnose. Er sagt heute noch, dass das damals einfach nicht das Leben war, das er sich vorgestellt hatte. Und dass nun „sowas passiert“ und dieses geplante Leben durchkreuzt, lähmte ihn. Es gibt einen Text von einer Autorin der Sesamstraße, die ein Kind mit Downsyndrom hat. Sie schrieb, dass ein Baby zu bekommen so ist, wie wenn man eine Luxusflugreise nach Italien gebucht hat. Die Vorstellung: großartiges Wetter, Luxus, das Kolosseum, die Gondeln von Venedig, viele viele Reiseführer von Italien…. aber wenn das Flugzeug landet, ist man in den Niederlanden ….bei mäßigem Wetter, „nur“ Tulpen, Windräder, ohne Luxus und es wird kein Italienisch gesprochen.
Das Problem daran? Wenn man sein Leben damit verbringt, der Tatsache hinterher zu trauern, dass das Leben nicht wie geplant verläuft, wird man niemals frei sein, die ganz speziellen, wunderschönen Dinge zu genießen, die es z.B. in den Niederlanden gibt: bunte Tulpen, wundervolle Windräder, holländische Pommes….
Dieser Text hat meinen Mann zum Denken angeregt und ihm die Augen geöffnet, dass man im Leben alles planen kann, es aber nie so kommen muss, wie man es selbst erwartet. Und vor allem: dass es jetzt zwar anders ist, aber weswegen sollte es nicht auch schön werden? Wir haben den Luxus, unser Leben und unser „Glücklichsein“ selbst zu gestalten. Und dieses Motto leben wir auch heute noch.
Wo haben Sie denn am Anfang Hilfe bekommen?
In der Ambulanz. Diese zwei Wochen im Krankenhaus waren tatsächlich das Beste, was uns passiert ist. Das Team dort war zu der Zeit großartig und es ist auch jetzt noch großartig. Täglich haben wir Besuch bekommen und mir wurde immer mehr zur Mukoviszidose erzählt. Ich wurde 14 Tage lang Stück für Stück auf diesem Weg mitgenommen.
In den letzten acht Jahren waren wir auch oft auf Amrum zur Reha, haben da andere Menschen mit Mukoviszidose oder andere Eltern kennengelernt und uns so viel austauschen können. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass wir da ein bisschen gebraucht haben, bis wir diesen intensiven Austausch wollten. Gerade in der „Anfängerphase“ mussten wir erstmal mit den gefühlt 1 Millionen Regeln zurechtkommen, die wir bekommen oder gehört hatten. Als Eltern eines Kindes mit Mukoviszidose hatten wir das Gefühl, dass man immer alle Regeln ganz korrekt einhalten muss, sonst gefährdet man das Leben seines Kindes. Da muss jeder erst einmal hereinwachsen, auch dass das nicht so ist. Und hier ist es schön, wenn man von anderen mit Mukoviszidose hört, ihre Geschichte erfährt… auch dass man mal Fünfe gerade sein lassen kann.
Wie war es für Sie nach der Diagnose Zuhause?
Am Anfang war es nicht direkt schwierig, aber schon schwieriger. Lukas ist ja unser zweites Kind und durch die Diagnose wurden wir doch wieder ins kalte Wasser geworfen. Kaltes Wasser, da wir ja dachten: Hey wir haben ja schon ein Kind, wir wissen ja, wie es am Anfang mit Neugeborenen ist. Nur, dass es bei Lukas wieder anders war.
Schwieriger aber auch, weil wir wenig Unterstützung von außen haben. Wir waren schon über einige Reaktionen oder Kommentare im Familien-, Freundes und Bekanntenkreis irritiert. Manche kamen auch erst mit der Zeit, manche direkt. Scheinbar war oder ist es nicht nur für uns schwierig, wenn das Leben „anders“ läuft. Für uns war und ist das nicht immer nachvollziehbar, weil auch hier unser Gedanke ist: IHR lebt doch nicht damit! Euer Weg ist das doch nicht!
Die Ambulanz und unser Kinderarzt haben uns sehr geholfen. Manchmal mussten mir die Ärzte auch sagen, dass Lukas eben ein Kind ist und dass nicht alles mit der Mukoviszidose zu tun hat. Unser Kinderarzt sagte immer: „Ich gucke mir jetzt die Mukoviszidose an und dann gucke ich mir Ihr Kind an.“ Es ist wichtig, nicht nur die Mukoviszidose zu sehen und dann erst das Kind. Und so ist es im Alltag, Zuhause, im Urlaub usw. auch.
Wie war Lukas‘ Entwicklung?
Bis zu seinem sechsten Lebensjahr ging es Lukas schon dreckig. Er war einfach sehr viel krank, was für ein Kleinkind sicherlich auch normal ist. Aber bei ihm war das immer einfach schlimmer. Es war nie einfach „nur eine Erkältung“, „nur eine Halsentzündung“. Es war nie „ach, das hat ja grad jedes Kind“. Er hatte zusätzlich sehr sehr viel mit der Nase zu tun. Das ging bis zu Sprachschwierigkeiten. Er hatte eine unglaublich nasale Aussprache, so dass man ihn kaum verstehen konnte, welches ihn als redefreudiges Kind frustriert hat. Er hat schlecht Luft bekommen und war körperlich wenig belastbar. Dazu kam noch ein gesellschaftlicher Faktor: Leider war Lukas‘ erste Kita ein Fehlgriff. Die Kita hatte auf einer Integrationshilfe bestanden. In den ersten drei Lebensjahren war das auch noch völlig ok. Lukas liebte seine I-Hilfe, er lehnte sie aber auch ab (er liebte sie als Mensch und hasste es, dass sie für ihn da war- er brauchte keine Hilfe). Aber u.a. dadurch erfuhren wir, wie Lukas in der Kita behandelt wurde. Dort fielen Sätze wie „Solche Kinder müssen lernen, dass sie nie Teil einer Gruppe sind. Solche Kinder müssen lernen, dass sie immer ausgegrenzt werden.“ Uns gegenüber wurden Sätze gesagt….wir waren sprachlos. Es war unfassbar für die heutige Zeit. Wir haben Lukas schließlich aus der Kita genommen und eine andere Kita für ihn gesucht, die probiert haben, das, was diese Behandlung bei ihm ausgelöst hat, wieder zu beheben. Die Behandlung durch die erste Kita hat auf jeden Fall Spuren bei Lukas hinterlassen. Das merkt man teilweise auch heute noch. Gerade in neuen Situationen bricht bei ihm auch heute noch aus, dass er ja anders ist und dass die Leute ihn deswegen nicht mögen werden, ihn ausschließen werden, wenn sie erfahren, dass er Mukoviszidose hat. Ich weiß nicht, wie oft ich auf der Couch saß und vor Wut geheult habe deswegen.
Ich musste der neuen Kita, der Grundschule und auch dem Sportverein, in dem Lukas jetzt ist, bestimmte Verhaltensweisen von ihm einfach erklären, damit sie verstehen, womit das zu tun hat. Nicht, um ihn zu bedauern, sondern damit sie verstehen, warum er sich so verhält und damit sie ihn nicht anders behandeln als die anderen Kinder und ihm helfen. Und glücklicherweise hat er jetzt wundervolle Menschen gefunden.
Solche Erfahrungen haben wir allerdings leider auch im persönlichen Umfeld gemacht. Es gibt mit sehr vielen Menschen einfach keinen Kontakt mehr, weil es auch da von deren Seite aus Probleme gab oder einfach kein Verständnis für unsere Situation vorhanden ist. Irgendwann ist man als Elternteil müde. Müde das Gefühl zu haben, sich rechtfertigen zu müssen, anderen immer und immer wieder Dinge zu erklären oder auf No-Gos immer und immer wieder hinzuweisen. Hätte mir das jemand vor acht Jahren gesagt, wie sich die Dinge entwickeln….ich hätte das nicht geglaubt – da war ich wohl einfach zu naiv. Manchmal will man sich auch täuschen lassen oder Dinge nicht wahrhaben.
Wie geht es Lukas heute?
Als Lukas gerade sechs wurde, konnte er in die Kaftrio-Studie aufgenommen werden. Das haben wir dem Arzt zu verdanken, der Lukas damals auch diagnostiziert hatte. Und was soll ich sagen: Das ist für ihn wirklich ein Wundermittel. Seine Nase ist komplett frei, er spricht völlig normal, er hat ein normales Leistungsvermögen. Wir waren letzte Woche bei der U-Untersuchung und der Kinderarzt meinte lachend und mit einem Augenzwinkern: „Die Mukoviszidose ….ja … Ich schreibe jetzt mal ganz frech hier rein: Ein völlig normal entwickeltes Kind.“ Die zwei Jahre seitdem er Kaftrio nimmt, haben ihm Lebenszeit gerettet. Er hat gerade sein Seepferdchen gemacht und das hätte er vorher einfach von der körperlichen Verfassung her gar nicht geschafft. Und jetzt übt er für sein Bronze-Abzeichen. Im Vergleich zu vorher – Ihm geht es jetzt wirklich gut.
Mit der Psyche hat er aufgrund seiner Erfahrungen sicherlich weiterhin zu kämpfen. Ansonsten…ja, er ist natürlich auch einfach ein achtjähriger Junge, der auch mal keine Lust hat, seine Medikamente zu nehmen, sich behaupten will oder seinen großen Bruder nervt. Und er probiert dann auch aus, was passiert, wenn er die Bifi ohne Kreon isst und wie viele Bauchschmerzen er dann davon bekommt (und ob sich die Bauchschmerzen im Verhältnis zur Kreoneinnahme denn lohnen). Aber das sind für mich Spielereien des Großwerdens, die ich mit meinem Großen auch hatte. Also völlig normal – nur teilweise andere Themenbereiche.
Muss Lukas denn noch viel an Therapie machen?
Ja, das haben wir beibehalten. Wir gehen einmal die Woche zur Physiotherapie. Lukas inhaliert zweimal täglich und macht viel Sport (Zuhause und im Verein). Dazu kommt die tägliche Einnahme der Kreonkapseln beim Essen, die Vitaminkapseln und das Kaftrio.
Wie geht es Ihnen als Familie?
Ich muss sagen, dass es uns damit mittlerweile sehr gut geht. Die Krankheit hat gewisse Türen geöffnet und auch geschlossen – vor allem zwischenmenschlich – und darüber sind wir – nun ja, auch wenn es sich komisch anhört – froh. Bei manchen Menschen sind Masken gefallen, die man vorher nicht bemerkt hat oder sehen wollte. Wir sind froh, dass uns die Augen geöffnet wurden. Das ist irgendwie unfair Lukas gegenüber, denn er wünscht sich sicherlich, dass er die Krankheit nicht hätte.
Es gibt Dinge, die wir ohne die Krankheit nicht gemacht hätten. Zum Beispiel haben wir uns einen Camper geholt und fahren damit durch Europa. Wir überlegen nicht mehr, ob wir uns etwas trauen, sondern überlegen: Können wir das umsetzen? Wie und wann? Wir leben im Hier und Jetzt, sind viel spontaner geworden. Denn es kann ja immer sein, dass Lukas ins Krankenhaus muss oder krank wird, also machen wir die Dinge lieber sofort. Und ohne Lukas‘ Krankheit hätten wir wahrscheinlich nicht so umgedacht.
Ich glaube wir leben bewusster, spontaner, anders als vorher.
Wie sind Sie auf den Mukoviszidose e.V. aufmerksam geworden?
Durch die Ambulanz. In den zwei Wochen in der Klinik wurde uns auch der Mukoviszidose e.V. von der Sozialarbeiterin vorgestellt. Sie hat uns direkt über viele Dinge, zum Beispiel Pflege, aufgeklärt und hat uns auf den Mukoviszidose e.V. hingewiesen. Sie sagte: „Da gibt es einen Verein, der ist top aufgestellt und hilft Euch, wo er kann, egal, welche Frage Ihr auch habt.“ Sie hat uns auch auf das Seminarangebot aufmerksam gemacht und auf das Informationsmaterial hingewiesen. Darum habe ich mich dann schnell gekümmert, dass wir Mitglied werden und die Zeitschrift bekommen.
Welche Angebote des Vereins haben Sie schon wahrgenommen?
Ich war auf dem Elternseminar, wir haben am muko.move teilgenommen, wir haben am bewegten Wochenende teilgenommen – und werden das auch weiterhin tun, wir lesen die Zeitschrift, wir haben Beratungen in Anspruch genommen (zum Thema Schwerbehindertenausweis oder Reha). Die Broschüren für die Kita und Schule wurden von uns auch genutzt.
Tauschen Sie sich mit anderen Eltern aus? Wenn ja, wie?
Ja, mittlerweile tauschen wir uns auch mit anderen Familien mit Kindern, welche Mukoviszidose haben, aus. Überwiegend passiert das während der Rehabilitationsmaßnahmen. Es gibt auch Eltern, an denen man „kleben“ bleibt, weil man einfach viel gemeinsam hat und die Chemie stimmt. Wir haben z.B. auf der letzten Reha eine Familie aus Augsburg kennengelernt, mit der wir viel Kontakt haben. Es tut gut, wenn man andere Eltern trifft, die einen blind verstehen, weil sie eben in der gleichen Blase leben, wie man selbst. Da reichen Blicke aus, um zu wissen, was der andere meint. Man kann ohne große Erklärungen seine Erfahrungen, Ängste, Sorgen, Ärger oder schöne Momente teilen. Dieses Verständnis fehlt in unserem Umfeld dann doch leider des Öfteren außerhalb dieser „Muko-Blase“.
Mit ein paar wenigen Freundinnen tausche ich mich auch aus, welche keine Kinder mit Mukoviszidose haben. Diese kennen vielleicht nicht aus eigener Erfahrung den „Muko-Alltag“, aber können eben deswegen auch einfach einen anderen Blick mit ins Geschehen einbringen. Sie können es vielleicht nicht zu 100 % nachempfinden, versuchen es aber immer wieder zumindest zu verstehen.
Bei anderen Eltern ohne chronisch krankes Kind ist es manchmal komplizierter. Da können schon mal Sätze fallen…. Den Eltern war vielleicht nicht wirklich bewusst, was sie da eben zu wem gesagt haben, aber…. ja…man schüttelt da schon öfter mal den Kopf über diese Art der Empathielosigkeit oder dem fehlenden Mitdenken.
Was wünschen Sie sich für Ihr Kind?
Aufgrund der Erfahrungen, die Lukas ja leider machen musste, wünsche ich mir, dass die Gesellschaft versteht, dass Anderssein keine Angst machen muss und dass es völlig in Ordnung ist. Ich wünsche ihm, dass er sein Leben einfach genießen und leben kann. Ich hoffe sehr, dass Kaftrio weiterhin für ihn so gut funktioniert und ihm dadurch weiterhin Lebensqualität geschenkt wird.
Wir erziehen ihn mit dem Blick, dass sein Weg komplett offen und ungeschrieben ist. Es mag manchmal schwieriger sein für ihn, aber das heißt ja nicht, dass es nicht funktionieren kann. Kein Lebensweg ist ohne Steine, welche sich in den Weg legen. Ich wünsche mir, dass er die Kraft dafür hat, seinen eigenen Weg zu gehen. Und dass er die Steine seiner chronischen Krankheit nicht als Hindernis sieht, sondern diese aus dem Weg räumt, die spitzen Steine abrundet, drüber wegläuft oder sich eine Kreuzung/ einen Abzweig mit einem begehbaren Weg baut oder wenn er hinfällt nicht liegen bleibt…zumindest nicht zu lange.
Vor allem wünsche ich mir, dass er seine Willensstärke, seinen Frohsinn und seine Lebenslust behält.
Gibt es noch etwas, das Sie gerne loswerden würden?
Es gibt nicht „den einen“ Weg! Jeder muss seinen eigenen (für sich, seine Familien und sein Kind) finden. Es gibt Erfahrungen und Meinungen – jeder sollte das für ihn Machbarste herausfinden. Wichtig hierbei, finde ich, Vertrauen – in sich und in sein Kind.
Ich glaube, dass man einem Kind, das eine chronische Krankheit hat, auch Dinge zutrauen sollte. Unsere Kinder müssen ihren Weg gehen lernen – vertraut ihnen.
Danke, an unser hervorragendes Ärzteteam in der Ambulanz, der Kinderarztpraxis und natürlich an den Mukoviszidose e.V. für die unermüdliche Arbeit, die Ihr leistet.
Das Interview führte Juliane Tiedt.
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