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Zwei Mal schwanger – einmal ohne Kaftrio und einmal mit Kaftrio

Ein Erfahrungsbericht von Selina

Selina ist 30 Jahre alt und hat Mukoviszidose. Sie ist glückliche zweifache Mutter – obwohl sie als junge Frau eine Zeit lang dachte, eigene Kinder zu bekommen, sei zu anstrengend mit der chronischen Erkrankung. Ihre erste Schwangerschaft hat Selina ohne Kaftrio erlebt – das gab es damals noch nicht – die zweite dann, als sie Kaftrio schon eine Weile genommen hat. Im Artikel schildert Selina ihre Erfahrungen der beiden Schwangerschaften und der vielen Themen, die sie in dieser Zeit bewegt haben.

Meine erste Schwangerschaft – ohne Kaftrio und mit künstlicher Befruchtung

Selina mit Babybauch und Vorfreude auf ihr zweites Kind. Foto: Mukoviszidose e.V.
Selina mit Babybauch und Vorfreude auf ihr zweites Kind. Foto: Mukoviszidose e.V.

Als ich zum ersten Mal schwanger wurde, gab es noch kein Kaftrio. Mein Gesundheitszustand war zu diesem Zeitpunkt gut und stabil, sodass einer Schwangerschaft nichts im Wege stand.

Die größte Herausforderung lag jedoch darin, überhaupt erst einmal schwanger zu werden. Nachdem wir über vier Jahre lang versucht hatten, ein Kind auf natürlichem Wege zu bekommen und es einfach nicht funktioniert hat, haben wir uns für den Weg der künstlichen Befruchtung entschieden. Dies war ein schwieriger und emotionaler Weg, der Ängste schürte und uns viel Leid und Traurigkeit brachte, bis sich das lange Warten ausgezahlt hatte.  

Als unser Sohn dann endlich auf der Welt war, gesund und munter und wir all diese Jahre reflektiert hatten, war für uns beide klar, unsere Kinderplanung ist abgeschlossen. Wir wollten den Schritt der künstlichen Befruchtung nicht noch einmal gehen. Die Belastung durch die hormonelle Stimulation, die dafür notwendig ist, ist mit unglaublichen Nebenwirkungen verbunden. Zudem war es eine starke emotionale Belastung in jeder Hinsicht. Und dann kam doch alles anders.

Meine zweite Schwangerschaft – mit Kaftrio und einigen schwierigen Entscheidungen

Es kam dieser eine Tag, den ich wahrscheinlich nie vergessen werden, dieser eine Tag, an dem ich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hatte. Das, worauf ich jahrelang sehnlichst gewartet hatte, war jetzt ganz ungeplant und von allein eingetroffen – ich bin auf natürlichem Weg schwanger geworden. Und jetzt wusste ich plötzlich gar nicht mehr, ob ich das wirklich wollte… Weil ich gemerkt hatte, wie fordernd das Leben mit einem Kind ist und wie viel weniger Zeit ich für andere Dinge habe, z. B die Therapie. Und weil ich immer gern einen Plan im Kopf habe, und in diesem Plan kam eben kein zweites Kind vor.

Rein aus medizinsicher und wissenschaftlicher Sicht bin ich und war ich ab dem ersten Moment dafür unglaublich dankbar. Dass es möglich war, aufgrund dieses Medikamentes endlich schwanger zu werden. Dass das Medikament so viel im Körper bewirkt, dass selbst das kein Problem mehr ist. Für mich ist Kaftrio nach all den Jahren die Erklärung für meinen unerfüllten Kinderwunsch gewesen. Was für Wunder die Forschung doch vollbringen kann!

Die große Frage: Nehme ich Kaftrio weiter?

Henry und seine kleine Schwester Ruby. Foto: Mukoviszidose e.V.
Henry und seine kleine Schwester Ruby. Foto: Mukoviszidose e.V.

Die größte Hürde stand jedoch gleich zu Beginn der zweiten Schwangerschaft an. Kann ich die Medikamente in der Schwangerschaft weiter nehmen? Was passiert mit dem ungeborenen Kind? Was ist mit mir, gehen meine Werte wieder zurück, kommt der Husten wieder zurück? Ich habe so viel Rat von Ärzten eingeholt, habe so viele Studien gelesen, die noch keine nennenswerten Ergebnisse darlegen konnten. Habe so viel gesucht, um eine Antwort zu finden. Und eigentlich kannte ich die Antwort die ganze Zeit: Ich habe mich entschieden, die Medikamente weiter zu nehmen, auch wenn das in einer Weise vielleicht auch ein gewisses Risiko bringen würde, dass ich mein Kind im schlimmsten Fall verlieren würde. Aber in diesem Moment war mir meine Gesundheit wichtiger. Da ich bereits ein gesundes Kind hatte, wollte ich für dieses Kind genauso da sein, wie ich es dank Kaftrio nun sein konnte, ohne große Einschränkungen. Ich habe diese Entscheidung ganz allein für mich getroffen, denn hier geht es vor allem um meinen Körper und mein Leben, und ich musste auch mit der Entscheidung leben können, wenn der schlimmste Fall eintreten würden.

Zusätzliche Aufregung in der zweiten Schwangerschaft – hat das Baby CF?

Das erste Trimester der zweiten Schwangerschaft verlief ruhig, keine Übelkeit oder irgendwelche Beschwerden. Ein kleines Bäuchlein konnte man auch schon erkennen, und zu diesem Zeitpunkt war die Freunde über das zweite Kind auch schon sehr groß.

Beim ersten großen Organ-Screening stellte meine Gynäkologin eine Auffälligkeit im Darm des Kindes fest. Da dieser auf dem Ultraschall ziemlich weiß aussah und dies nicht unter die Norm fiel und sie dafür auch keine Erklärung hatte, schickte sie mich in die Pränataldiagnostik. Hier sollte sich ein Spezialist das genauer ansehen. In der Pränataldiagnostik schaute sich der Arzt den Darm an und erklärte mir dann, dass es quasi alles sein könnte von einer harmlosen Blutung des Kindes bis hin zu einer Erkrankung wie z. B. Mukoviszidose. Als er dann noch erfuhr, dass ich CF habe, war das für ihn fast schon klar, da spielten dann die ganzen anderen Krankheiten keine Rolle mehr.

Für mich war das die absolute Katastrophe, wie konnte das überhaupt sein, dass die CF jetzt im Raum stand? Wir hatten im Vorfeld alle Untersuchungen machen lassen, damit wir genau das ausschließen können, und nun war es doch wieder im Spiel. Auch weil ich wusste, und mein Mann wusste es auch, was es bedeuten würde, wenn sich das bewahrheiten würde. Für uns war klar, dass wir uns dann auch zu diesem Zeitpunkt, und das wäre noch möglich gewesen, gegen das Kind entschieden hätten. Es wurden weitere Untersuchungen gemacht, und in den nächsten Tagen und Wochen war es eine absolute Achterbahnfahrt der Gefühle. Wir mussten auf die Ergebnisse warten und wussten nicht, wie es enden würde. Würden wir unser Kind behalten oder nicht? War es gesund oder nicht? Jeden Tag diese Angst und die Überlegungen, wie gehen wir damit um, wenn es soweit ist?

Entwarnung: Das Baby ist gesund

Glücklich, dass sie zu viert sind - Selina und ihre Familie. Foto: Mukoviszidose e.V.
Glücklich, dass sie zu viert sind – Selina und ihre Familie. Foto: Mukoviszidose e.V.

Als die Ergebnisse da waren, rief mich der Arzt direkt an, um mir mitzuteilen, dass unser Kind gesund sei. Der ganze Druck fiel ab, und nun wussten wir, es wird alles gut werden. Bei einer erneuten Kontrolle in der Pränataldiagnostik war der Darm gar nicht mehr so weiß, und es war klar, es war eine harmlose Blutung. Was wir in diesen ungewissen Wochen durchgemacht haben, emotional, psychisch mag sich keiner vorstellen. Auch wenn wir an dieser Herausforderung wieder gewachsen sind.

Danach lief die Schwangerschaft dann weiter reibungslos, bis ich ab der 22. Schwangerschaftswoche Vorwehen hatte. Dies lag einfach an der hohen Belastung mit einem Kleinkind zuhause, arbeiten gehen, Haushalt etc. Also musste ich nun kürzertreten und mich schonen, was nur so halb funktioniert mit einem Kleinkind. Aber trotz vermehrter Kontrolle blieb das Baby schön im Bauch bis zur 38. Schwangerschaftswoche, da hatte sie es dann ganz eilig und war nach einer Stunde da. Die Geburt verlief problemlos. Anstrengend und schmerzhaft war sie trotzdem. Aber die Freude über unsere Tochter war groß.

Kaftrio während der Schwangerschaft – eine individuelle Entscheidung

Abschließend möchte ich nochmal sagen: Jede muss diese Entscheidungen bzgl. der weiteren Einnahme von Kaftrio während der Schwangerschaft für sich selbst treffen. Die ärztliche Empfehlung ist, dass man bis zur 12. Woche das Medikament absetzen sollte, weil in diesen Wochen die größte Entwicklung beim Baby stattfindet. Als ich mich anders entschieden hatte, war das zum Glück aber auch kein Problem für meine Ärztin. Ich kenne aber keine anderen CF-Patientinnen, die während der Schwangerschaft das Medikament weiter genommen haben, so wie ich. Alle die ich kenne, haben es mindestens bis zur 12. Woche abgesetzt. Ich habe mich dafür entschieden, weil mir meine Gesundheit wichtiger war als mein ungeborenes Kind. Jetzt habe ich zwei gesunde Kinder daheim und bin dafür sehr dankbar.

Ich möchte jede Frau, die in einer ähnlichen Situation ist, ermutigen, ihre eigene Entscheidung zu treffen. Entscheidungen von anderen, auch von Ärzten, auch zu hinterfragen. Informiert euch, holt euch Unterstützung und Rat von Leuten die einen medizinischen Hintergrund haben. Und traut euch, in den Konflikt zu gehen, auch für euch selbst. Denn in erster Linie geht es erstmal nur um euch selbst.

In 2020 hat Selina schon mal für unseren Blog geschrieben – über die Themen Kinderwunsch, künstliche Befruchtung und Fehlgeburt.

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Zuletzt aktualisiert: 04.11.2024
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