Blog

„Ich habe mehr Vertrauen in meinen Körper“

Michel Mayr und seine Frau Sonja haben sich einen Traum erfüllt: Sie sind 2016 mit ihrem Segelboot „Pantera“ losgesegelt und seitdem mit Unterbrechungen in Mittelmeer und Atlantik unterwegs. Auf ihrem Blog „Never try, never know“ berichten sie von ihren Erfahrungen unterwegs. Im Interview mit muko.blog berichtet Michel Mayr von ihren Reisen und davon, wie es ist, als Mukoviszidose-Patient auf einem Segelboot zu leben.

Inhalieren auf hoher See: Seit 2016 sind Michel und seine Frau Sonja mit ihrem Segelboot Pantera unterwegs.

Wo sind Sie gerade?

Wir sind gerade an der Algarve in Portugal, werden aber demnächst auch wieder für einige Monate in Deutschland sein.

Sie sind mit Ihrer Frau mit Unterbrechungen seit 2016 unterwegs. Wie kam es zur Entscheidung, loszusegeln?

Für mich war das alles immer mehr ein gleichbleibender Kreislauf aus Medikamenten, IV-Therapien und der Zeit dazwischen: Arbeit. Mir war das irgendwann nicht mehr genug oder zu viel, je nach Blickwinkel. Die Arbeit an sich war in Ordnung und die Kollegen sehr nett, aber ich wollte Veränderung – meine Frau zum Glück auch.

Sie schreiben auf Ihrem Blog „Wenn ich weiter mehr Zeit und Energie investiere um ein normales Leben zu führen, will ich Fortschritt sehen und ich will sehen, was passiert, wenn und ob dieser Einsatz nicht auch dazu führen kann, dass ich tatsächlich gesünder werde, statt nur stabil zu sein. Mukoviszidose ist eine degenerative Krankheit und ich werde diesen Kampf nie aufgeben…aber jetzt bestimme ich mal die Regeln.“ Wie hat sich Ihre Einstellung zur Mukoviszidose durch das Unterwegssein geändert?

Ich glaube, ich habe mehr Vertrauen in meinen Körper als zuvor. Sicher werde ich nach wie vor krank und hänge meistens länger in den Seilen als andere, aber ich vertraue mehr darauf, dass es auch wieder bessere Zeiten geben wird. Beim tagelangen Am-Wind Kurs auf dem Weg zu den Azoren war das hauptsächlich kräftezehrend, aber mit genug gegenan-Essen neben den normalen Medikamenten, war diese Tour eben „nur“ genauso anstrengend wie für einen Menschen ohne CF.

Das war ein gutes Gefühl, wie gelebter innerer Widerstand, irgendwie.

Warum haben Sie den Blog gegründet?

Der Blog sollte vor allem unsere Familie und Freunde auf dem Laufenden halten und alle ein wenig teilhaben lassen, die auch Interesse am Reisen oder Segeln haben.

Was fasziniert Sie am Segeln?

Damals: die Fantasie der absoluten Freiheit. Heute: die Realität der relativen Freiheit und, dass das auch gut so ist.

Sie sind über Rhein, Rhone und Mosel bis zum Mittelmeer, dann die Küste runter bis Marokko, auf die Kanaren, auf die Azoren und zurück nach Lissabon gefahren (mit Unterbrechungen in Deutschland). Wo hat es Ihnen am besten gefallen?

Das ist für mich unfassbar schwer zu beantworten, und ich hoffe ja, dass ich einmal Alles dazu in ein Buch pressen kann. Auf jeden Fall sage ich zu Sonja oft, dass ich an den schönen Orten auch einen Teil meiner Seele gelassen habe.

Das klingt dann in etwa so: In Essaouira (Marokko) habe ich immerzu nur gelacht, auf el Hierro (kanarische Inseln) war ich so ruhig, wie nirgendwo sonst und auf den Azoren habe ich mich körperlich gefühlt wie mit Anfang 20.

Gibt es ein Erlebnis, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist.

Das ist mindestens genauso schwer, aber spontan würde ich sagen, der Moment als uns Abduleiah in Essaouira eine ausgewachsene Seespinne[1] zum Abschied geschenkt hat. Er war sichtlich stolz, uns das schenken zu können und wir waren sichtlich überfordert, aber dann auch wirklich gerührt davon.

Sie sind von den Kanaren bis auf die Azoren gesegelt, das sind sehr viele Tage auf See ohne Möglichkeit, irgendwo anzulegen. Wie war diese Überfahrt, die lange Zeit auf See für Sie?

Anstrengend für den Körper, aber beruhigend für den Geist. Wobei die fast doppelt so lange Fahrt zurück ans Festland noch mehr positive Wirkung hatte, die Länge der Fahrt muss wohl nicht unbedingt auch zehrender sein.

Der Mukoviszidose e.V. organisiert Klimamaßnahmen für Mukoviszidose-Betroffene nach Gran Canaria, weil das Klima dort gut für die Lunge ist. Merken Sie auch eine Verbesserung durch das Klima auf den Kanaren?

Nicht nur auf den Kanaren, muss ich sagen. Wir leben dann ja quasi auf dem Wasser und je länger am Stück ich dort bin, umso mehr Luft bekomme ich – zumindest fühlt es sich für mich so an.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Wir wollen eigentlich gerne nach Osten, doch da der Suez-Kanal noch immer massiv problematisch ist, versuchen wir uns irgendwie, einen Alternativplan zu basteln. Vielleicht dann doch über den Atlantik und über West nach Ost…ach wir ändern unsere Pläne sehr oft, wenn es ums Segeln geht. Ich weiß es ehrlich gesagt nie genau, aber ich freu mich drauf.

Auch das gehört zum Segeln dazu: der Hafen.

Gibt es etwas, das Sie anderen Mukoviszidose-Betroffenen mit auf den Weg geben möchten?

An schlechten Tagen: „Life is a bitch and then you die“. Diesen Spruch hat ein Punk-Musiker einmal absichtlich so verdreht und er passt einfach zu diesen Tagen.

An guten Tagen: „Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen“ hat Camus mal geschrieben und es gibt dann kaum etwas, das mir mehr aus der Seele spricht.

An allen anderen Tagen möchte ich niemanden belehren und bin mir irgendwie auch sicher, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss und auch finden wird, um froh zu werden.

Das Interview führte Juliane Tiedt.


Zum Blog „Never try, never know“

[1] Lexikon der Biologie zum Thema Seespinne: https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/seespinnen/60653

Beitrag teilen:

Schreibe einen Kommentar

Zuletzt aktualisiert: 02.01.2024
Bitte unterstützen
Sie uns
35€ 70€ 100€
Jetzt spenden