Die neue Dreifachkombination Kaftrio ist zurzeit in aller Munde. Viele Mukoviszidose-Betroffene erwarten sich viel davon für ihre Gesundheit. Was dabei oft vergessen wird: Leider werden nicht alle Erkrankten das neue Medikament nehmen können. Derzeit ist es nur für etwa 60 Prozent der CF-Betroffenen in Deutschland zugelassen. Und auch in Zukunft werden voraussichtlich 15 Prozent der Betroffenen aufgrund ihrer Mutation nicht für die neue Therapie infrage kommen. Eine von ihnen ist Tatjana (30). Wir haben sie gefragt, wie es ihr damit geht und was sie sich jetzt für die Zukunft und vom Mukoviszidose e.V. wünscht.
Wie geht es Dir gesundheitlich?
Ich habe das Glück, dass mein Gesundheitszustand seit vielleicht schon zehn Jahren stabil ist. Das liegt sicherlich auch an dem Medikament Kalydeco[1], das ich seit sieben Jahren nehme. Stabil heißt aber stabil bei 34 % FEV1[2]. Ich gehöre glücklicherweise zu den Patienten, die mit einer Lungenfunktion unter 40 % noch halbwegs ihren Alltag schaffen können. Das ist aber auch nur möglich, weil ich Rente bekomme, da ich am Tag sehr viel Zeit für die Therapie aufwenden muss. Und das hat sich leider auch durch das Kalydeco nicht geändert. Ich bin glücklich, aber die zeitaufwendige Therapie macht das Leben schon etwas weniger lebenswert.
Was und wie viel Therapie machst Du am Tag?
Die Mukoviszidose ist bei mir ein Vollzeitjob. Ich habe leider das Pech, dass ich schon immer sehr viel Sekret hatte. Morgens mache ich zuerst ein paar Yogaübungen, also ein paar Dehnübungen, die der Therapie gar nicht so unähnlich sind. Danach inhaliere ich Kochsalz und mache dabei aktive autogene Drainage, d.h. ich mobilisiere das Sekret in meiner Lunge. Das sind jeden Tag etwa zwei bis drei Stunden. Dann habe ich, je nachdem welcher Tag ist, Physiotherapie oder Krankengymnastik am Gerät – meistens so um die Mittagszeit. Zusätzlich soll ich ja auch noch Ausdauersport machen. Meine Physiotherapie ist 20 Kilometer von meinem Wohnort entfernt. Wenn es möglich ist, fahre ich zumindest eine Strecke mit dem Fahrrad. Ich bin also jeden Tag etwa von 9 bis 15 Uhr mit meiner Therapie beschäftigt.
Sport ist zum Beispiel auch nur möglich, weil ich morgens so viel inhaliere und autogene Drainage mache, um die Schleimmassen aus meiner Lunge herauszubekommen.
Warum kannst Du Kaftrio nicht nehmen?
Ich habe keine F508del-Mutation.
Anmerkung: Kaftrio ist in Europa zugelassen für Patienten, die entweder zwei F508del-Mutationen oder eine F508del-Mutation in Kombination mit einer sogenannten Minimalfunktionsmutation haben. Mehr Informationen dazu finden Sie auf unserer Website.
Wie geht es Dir mit diesem Gedanken?
Ich habe mich so langsam damit abgefunden. Ich nehme jetzt seit sieben Jahren Kalydeco und ich habe persönlich das Gefühl, dass mir das sehr für meinen Magen- und Darmtrakt geholfen hat. Aber leider hat es keine Wirkung in meiner Lunge gezeigt, zumindest hat sich meine Lungenfunktion nicht verbessert. Allerdings ist sie jetzt auch in den letzten Jahren nicht schlechter geworden, immerhin.
Kalydeco hat mir geholfen, indem es meine Verdauung verbessert hat. Und ich habe dadurch 10 kg zugenommen, so dass ich jetzt keinen Stress mehr mit dem Essen habe. Vorher musste ich ca. 3.000 Kalorien am Tag essen, damit ich nicht abnehme. Auch meine Blutzuckerwerte haben sich verbessert und ich habe jetzt weniger oder weniger starke Infekte. Ich brauche auch seltener intravenöse Antibiotikatherapien.
Das alles ist schön und gut, aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich mir wünschen, dass es auch für mich ein Medikament gibt, das in der Lunge wirkt, damit ich weniger Sekret hätte. Dementsprechend hatte ich natürlich große Hoffnung, als ich gehört hatte, dass da ein neues Medikament in der Entwicklung war. Ich hatte einfach gehofft, dass auch meine Lunge besser würde. Wenn ich nur die Hälfte an Sekret hätte, müsste ich ja vielleicht auch nur die Hälfte an Therapie machen, um das herauszubekommen und das würde meine Lebensqualität erheblich verbessern.
Ich träume schon immer davon, joggen zu gehen. Und es wäre für mich natürlich großartig, einfach ohne Probleme bergauf gehen zu können. Aber mit der Menge an Sekret ist das für mich leider nicht möglich.
Ich lese ja in den Mukoviszidose-Foren im Internet, was Leuten, die vorher kurz vor der Lungentransplantation standen und die das neue Medikament nehmen, jetzt wieder möglich ist. Was ist das für ein Wundermittel? Nur ich gehöre leider nicht dazu.
Was wünschst Du Dir für die Zukunft?
Ich hoffe einfach, dass ein Unternehmen noch ein Medikament für die seltenen Mutationen entwickelt. Es wäre doch schade, wenn man sich damit zufriedengeben würde, dass jetzt der Großteil der Patienten abgedeckt ist, und die anderen ziehen den Kürzeren.
Ich selbst wünsche mir mehr Luft zum Atmen, mehr Luft zum Leben, weniger Schleim, einfach mehr Lebensqualität.
Was wünschst Du Dir vom Mukoviszidose e.V.?
Ich finde es gut, dass Ihr darauf aufmerksam macht, dass es Patienten gibt, die noch nicht von dem neuen Medikament profitieren können, und wünsche mir, dass Ihr vielleicht auch noch einmal mit den Unternehmen sprecht, dass auch für seltene Mutationen Medikamente entwickelt werden.
Wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft
Der Mukoviszidose e.V. setzt sich für alle CF-Patienten ein. Zum einen unterstützt der Verein viele Forschungsprojekte zu verschiedenen Aspekten der Mukoviszidose. Welche Projekte gerade gefördert werden, finden Sie auf unserer Internetseite.
Speziell für Patienten mit seltenen Mutationen unterstützt der Mukoviszidose e.V. das Hit-CF-Projekt, in dem gerade ca. 500 Patienten mit seltenen Mutationen getestet werden. Hier soll ein Labor-Modell entwickelt werden, bei dem CFTR-Modulatoren individuell (am Organoid-Modell aus einer Darm-Biopsie-Probe) getestet werden können. Das soll dazu führen, dass der jeweilige Patient das Medikament individuell bekommen kann, wenn man mit dem Modell zeigt, dass der Modulator bei ihm wirkt.
Darüber hinaus unterstützt der Verein über das Studiennetzwerk CF-CTN die Durchführung klinischer Studien in Deutschland. So wird u.a. die Entwicklung von mutationsunabhängigen neuen Medikamenten möglich. Auch Studien mit neuen CFTR-Modulatoren, die bei Patienten mit seltenen Mutationen wirken könnten, werden in deutschen Kliniken aus dem Studiennetzwerk untersucht.
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Das Interview führte Juliane Tiedt.
[1] Kalydeco mit dem Wirkstoff Ivacaftor ist ein CFTR-Modulator, der Wirkstoff ist auch in Kaftrio enthalten. Kalydeco war der erste CFTR-Modulator, der auf den Markt gekommen ist.
[2] FEV1% ist ein Messparameter der Lungenfunktion. Der individuelle Messwert wird auf die Lungenfunktion in einer vergleichbaren Gruppe der Gesamtbevölkerung bezogen (Sollwert).
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