Morgen startet der Film „Drei Schritte zu Dir“ in den deutschen Kinos. Er erzählt die Liebesgeschichte der CF-betroffenen Jugendlichen Will und Stella, die sich im Krankenhaus kennenlernen, sich aber aufgrund strenger Hygienerichtlinien nicht näherkommen dürfen, da Wills Lunge vom multiresistenten Keim Burkholderia cepacia befallen ist. Der Film ist eine gute Möglichkeit, die Erkrankung bekannter zu machen, er zeigt aber eben nur eine Facette des Lebens mit CF. In der Realität sind die Verläufe einer Mukoviszidose-Erkrankung so individuell und vielfältig wie die Betroffenen selbst – und auch in der Liebe gibt es bei CF-Paaren viele Geschichten mit glücklicherem Ausgang als die von Will und Stella. Im Interview geben uns zwei CF-Paare aus Deutschland einen Einblick in ihr gemeinsames Leben mit der Erkrankung.
D. und V. Gräf: Wir sind seit fünf Jahren miteinander liiert. Wir haben uns auf der Webseite „Fit mit CF“ kennengelernt. Mittlerweile sind wir seit fast drei Jahren verheiratet.
P. und K. Schöngarth: Wir sind seit 33 Jahren zusammen, davon fast 27 Jahre verheiratet. Kennengelernt haben wir uns in der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
D. und V. Gräf: Wir haben zwei Hunde mit denen wir gemeinsam viel unternehmen; wir gehen gerne schwimmen und lecker essen oder sitzen mit einem Glas Wein auf dem Balkon. Wir sind beide berufstätig und haben jeder für sich seine Hobbys. Wir erledigen jedoch viele Dinge gemeinsam: wir frühstücken nach der Therapie jeden Morgen zusammen, bevor jeder in seinen Alltag startet, wir gehen gemeinsam mit den Hunden spazieren und essen jeden Abend zu zweit. Auch die Physiotherapie nehmen wir einmal wöchentlich gemeinsam wahr. Einmal pro Quartal fahren wir zusammen in die Ambulanz.
P. und K. Schöngarth: Uns verbindet zwar sehr viel, aber gemeinsame Hobbys sind es nicht. Da sind wir grundverschieden. Unser Alltag war viele Jahre fast genauso wie bei den meisten Menschen; wir haben beide voll gearbeitet. Hinzu kamen viele Stunden Therapie. Seit meiner Transplantation (Petra) bin ich in Rente und übernehme die meisten Aufgaben, die im Haushalt anfallen.
Kai hat vor der TX (Transplantation, hier ist eine Lungentransplantation gemeint) das meiste machen müssen, nun sind die Rollen getauscht. Er ist inzwischen in Teilzeit tätig und ist damit kräftemäßig voll gefordert. In der Freizeit haben wir bisher immer alles gemacht, was uns Spaß macht und mit unserer Gesundheit vereinbaren können. Wir machen Urlaub und unternehmen viel, allein und mit Freunden, ich nenne das immer „Erinnerungen schaffen“.
D. und V. Gräf: Grundsätzlich spielt die Erkrankung natürlich immer eine Rolle, und es ist sicherlich anders als bei anderen Paaren. Es müssen Inhaletten ausgekocht werden, der Sauerstofftank muss vor die Tür gerollt werden und auch so gibt es viele Dinge im Alltag zu beachten, allerdings ist alles irgendwie so integriert, dass es uns selten auffällt.
P. und K. Schöngarth: Auch für uns ist die Mukoviszidose selbstverständlicher Bestandteil unseres Lebens. Es gab in den vielen Jahren immer wieder schwere gesundheitliche Herausforderungen, aber wir haben sie gemeistert, und es gelingt uns hoffentlich auch weiterhin. Das schweißt uns auch immer weiter zusammen.
D. und V. Gräf: Nein, wir haben beide eine Ehe mit gesunden Partnern hinter uns. Es gibt für uns kaum Dinge, die wir besonders beachten. Wir benutzen dieselben Inhaletten, dieselben Sprays — jedoch natürlich verschiedene Zahnbürsten 😅. Eine Kreuzinfektion mit lungenschädlichen Keimen hat es in unserem Fall in fünf Jahren nicht gegeben.
P. und K. Schöngarth: Wir müssen viel planen, einfach treiben lassen geht oft nicht. Zeiten für die Therapie müssen immer berücksichtigt werden. Mein Therapieaufwand ist nach der TX erheblich weniger geworden, sodass ich wesentlich spontaner sein kann als Kai.
Da sein Therapieaufwand eher mehr geworden ist, bleibt eigentlich alles beim Alten. Es gehört dazu. Dinge, die sich nicht ändern lassen, nehmen wir hin.
D. und V. Gräf: Wir haben einmal eine ernste Situation erlebt, als es einem von uns akut so schlecht ging, dass es nicht gut aussah. Das hat uns dazu gebracht, bewusster zu leben und alles zu genießen. Egal, ob Mukoviszidose oder nicht, das Leben kann abrupt zu Ende sein, dafür bedarf es keiner chronischen Erkrankung, und man weiß ja nie, wieviel Lebenszeit wir geschenkt bekommen. Im Alltag beschäftigt sich keiner von uns aktiv mit dem Thema Tod. Uns ist bewusst, dass wir sterben werden, so wie jeder andere irgendwann auch. Aber im Alltag oder auf unsere Partnerschaft hat es keinen Einfluss oder Relevanz.
P. und K. Schöngarth: Das Thema Tod ist immer mal wieder präsent. Vor der TX haben wir alles Formelle geregelt, sodass wir dieses Thema abhaken konnten. Da wir auch aufgrund unseres Alters schon mehrere Todesfälle im Familien- und Freundeskreis erlebt haben, ist das für uns weder ein Tabuthema noch ständiger Gegenstand von Gesprächen. Wir sind da auch sehr realistisch; der Tod gehört nun einmal zum Leben. Wir sind trotz unserer Erkrankung schon recht alt geworden. Hätten wir uns ständig mit unserer Lebensperspektive befasst, hätten wir wohl das Leben verpasst.
D. und V. Gräf: Definitiv! Wir sind beide deutlich stabiler, seitdem wir zusammen sind und beide Lungenfunktionen haben sich deutlich verbessert. Wir machen beide viel konsequenter Therapie und auch eine gemeinsame IV (Intravenöse Antibiotikatherapie; die Antibiotika werden mittels einer Infusion venös verabreicht) inkl. Krankenhaus und Heim-IV ist viel angenehmer zu zweit als alleine. Im Krankenhaus teilen wir uns ein Zimmer, schieben unsere Betten zusammen und haben so eine deutlich angenehmere Zeit. Wir haben durch die Erkrankung viele tolle Menschen kennengelernt, die über die Jahre gute und enge Freunde geworden sind, und auch das ist definitiv ein positiver Effekt der Erkrankung.
P. und K. Schöngarth: Eine besondere Bereicherung? Da sind wir unentschlossen. Eher nicht.
Wir wissen, was wir einander bedeuten, wissen, wie es dem anderen geht und unterstützen uns in allem gegenseitig. Aber das wäre vermutlich auch ohne Mukoviszidose so.
D. und V. Gräf: Über manche Dinge im Alltag empfiehlt es sich, hinwegzusehen. Der eine akzeptiert die liegengebliebene Toilettenpapierrolle und der andere das Chaos in Person. Wir haben beide eine Ehe hinter uns und gelernt, was wir wollen und was nicht, was man akzeptieren kann und was eben nicht. Wir genießen unsere freie Zeit zusammen und vergessen uns im Alltag nicht.
P. und K. Schöngarth: Wir stellen die Partnerschaft nicht in Frage, versuchen, auftretende Probleme zu lösen, wobei Liebe und Vertrauen uns bisher immer getragen haben.
Die Interviews führten Marc Taistra und Carola Wetzstein.
"Ich hatte immer die Angst im Hinterkopf, wann die Krankheit wieder zuschlagen würde"
Am Ende kam die Liebe, um zu bleiben
#mukomama: Meine Herausforderungen und Erkenntnisse als Mama mit Mukoviszidose