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#mukomama: Meine Herausforderungen und Erkenntnisse als Mama mit Mukoviszidose

Denise hat Mukoviszidose und ist letztes Jahr Mutter geworden. In diesem Blogbeitrag teilt sie ihre Gedanken und Erfahrungen zu den Herausforderungen und Freuden aus einem Jahr Muttersein mit Mukoviszidose.

„Wie kann etwas gleichzeitig so schön und erfüllend sein und gleichzeitig so unfassbar anstrengend und herausfordernd?“

Das ist eine Frage, die ich mir als Mama mit Mukoviszidose regelmäßig stelle. Aber, so wie es Licht gibt, muss es auch Schatten geben. Und wie nah Verzweiflung und Freude beieinander existieren können, zeigt sich mir, seit ich vor knapp einem Jahr Mama wurde.

Dass wir mal Eltern würden, war nie vorgesehen. Ich hatte nie geglaubt, dass ich mal Mutter werden könnte – einerseits aufgrund der biologischen Möglichkeiten mit Mukoviszidose, aber auch, weil ich mich schon lange damit abgefunden hatte, dass ich voraussichtlich kein allzu langes Leben haben würde. Diese Aussicht änderte sich 2020 aufgrund neuer Medikation.

2023 passierte es dann. Ich blickte beinah ungläubig auf den positiven Schwangerschaftstest. Neben Freude und Glücksgefühlen waren auch viele Ängste da. Lange habe ich mit dem Gedanken, dass ich ein Kind bekommen würde, gehadert. Vor allem, weil der Gedanke so neu und so unerwartet für mich war.

Ich war froh, dass so eine Schwangerschaft um die neun Monate dauert, denn ich brauchte diese Zeit, um mich einzustimmen und das Bild, das ich von meinem Leben immer hatte, entsprechend neu zu malen.

Auf das, was aber tatsächlich kommen würde, hätte ich mich nicht vorbereiten können - einfach, weil man sich nicht aktiv auf das Elternsein vorbereiten KANN in meinen Augen. Sowohl von den Herausforderungen als auch von den schönen Seiten als CF-Betroffene mit Kind möchte ich im Folgenden berichten.

Der Faktor Zeit

Die wohl größte Herausforderung für mich ist bisher die fehlende Zeit für mich selbst. Die Zeit für Therapiemaßnahmen, für Sport, meine Yogapraxis, für meine beruflichen Tätigkeiten als Selbstständige. Für Dinge, die mir Freude machen, wie zum Beispiel das Schreiben. Oder einfach nur mal SEIN. Ganz entspannt und ohne Erwartungen in den Tag hineinleben. Das kommt heute kürzer denn je.

Und auf der anderen Seite gibt es diese kostbaren Momente mit meinem Kind, die so viel Liebe, Freude und Verbundenheit beinhalten. Mit Baby ist mein Alltag extrem entschleunigt. Ich muss (und kann) einfach nicht so viel „schaffen“, denn was zählt, ist, dass ich da bin. Das Mamasein zwingt mich quasi dazu, voll im Moment zu sein. Nicht an der Vergangenheit festzuhalten oder mich um die Zukunft zu sorgen, sondern präsent zu sein. Und die Momente, in denen ich dann Zeit für mich oder meine kreativen Tätigkeiten habe, schätze ich nun umso mehr und koste sie voll aus.

Die eigenen Bedürfnisse und der Körper

Eine weitere, sehr große Herausforderung - insbesondere im ersten Jahr mit Baby - ist und war, auf meine eigenen Bedürfnisse und meinen Körper zu hören. Im Leben mit Mukoviszidose müssen wir lernen, auf unseren Körper zu hören, Warnsignale zu erkennen und entsprechend zu handeln. Als Mutter ist man jedoch quasi 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche damit beschäftigt, die Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen und auf sie zu reagieren. Selbst wenn das Baby gerade von jemand anderem versorgt wird, fällt es mir persönlich manchmal schwer, nicht trotzdem gedanklich ständig beim Kind zu sein.

Ein wichtiger Faktor als CF-Betroffene: Das Elternsein ist körperlich unfassbar anstrengend, vor allem, wenn einem eine bindungsorientierte Erziehung wichtig ist. Das Stillen kann sehr auslaugen und die ohnehin schon wenig vorhandene Energie entziehen. Das viele Tragen eines immer schwerer werdenden Kindes, dazu die alltäglichen Erledigungen, Einkäufe, plus Schlafmangel und gesundheitliche Schwankungen durch Infekte… da kommt eine Menge zusammen.

Froh bin ich in dieser Zeit, dass ich im Leben mit CF gelernt habe, mich zu motivieren und durchzuhalten - aber auch das hat natürlich seine Grenzen. Und zu lernen, diese Grenzen zu respektieren, ist ein anhaltender Lernprozess für mich.

Das Schöne durch Schwangerschaft, Geburt und Leben mit Baby und u.a. das Stillen: Ich bin so unheimlich stolz auf meinen Körper! Ich habe meinen Körper aufgrund der CF so oft als schwach und krank angesehen. Seit dieser lebensverändernden Erfahrung jedoch kann ich nur über meinen Körper und was er alles so kann, staunen und zutiefst dankbar sein.

Das Kind als positive Motivation

Auch wenn es etliche Momente gibt, in denen ich mir mehr Ruhe und Erholung wünsche, nehme ich regelmäßig wahr, wie mein kleiner Muckel mich dazu bringt, aktiver zu sein, mehr rauszugehen und selbst bei trübem oder kaltem Wetter an die frische Luft zu gehen. Unser Sohn ist ein richtiger Outdoormensch und er hält es nicht sonderlich lange in der Wohnung aus. Und davon profitiere auch ich, wenn wir regelmäßig rausgehen und etwas unternehmen - teilweise unternehmen wir auch Dinge, die ich ohne Kind nicht gemacht hätte, wie z.B. Spielplätze, Wälder oder Bauernhöfe erkunden!

Was man von außen betrachtet nicht sieht: Auswirkungen auf die Psyche

Vor allem diese fehlende Me-Time, aber auch verschiedene Sorgen und Ängste, die körperliche Anstrengung und die emotionale Belastung können sehr auf die Psyche schlagen. Da, wo ich mich früher zurückgezogen hätte, weil mir alles zu viel oder die Welt im Außen mir zu laut wurde, muss ich als Mama nun funktionieren.

Bei CF-Betroffenen besteht eine zwei- bis dreimal höhere Wahrscheinlichkeit, an Depression oder einer Angststörung zu erkranken.* Betroffene erleben im Laufe ihres Lebens Traumata, müssen sich „stark“ zeigen, haben belastende Themen, mit denen sie konfrontiert werden. Starke Gefühle, die man teilweise gelernt hat zu unterdrücken, werden bei der Begleitung eines Kindes getriggert. Ein Kind ist ein ständiger Spiegel des eigenen Selbst. Und eine sowohl körperliche als auch mentale Dauerbelastung durch den Vollzeitjob „Mutter“ kann, ergänzend zum Leben mit Mukoviszidose an sich, ein vorher gut aufgebautes und aufrecht erhaltenes Kartenhaus irgendwann zum Einstürzen bringen.

Daher, ganz wichtig in meinen Augen und in meiner Erfahrung: Unterstützung suchen! Einerseits, um regelmäßige Auszeiten zu ermöglichen und genügend Zeit für Regeneration, Therapiemaßnahmen und Me-Time zu schaffen, aber auch in Bezug auf medizinische oder psychologische Unterstützung. Selbst wenn das bedeutet, dass man sich ein wenig überwinden, Stolz oder Kontrolle loslassen muss. Das A und O ist die Gesundheit, physisch und mental - denn es ist wahr: Wenn es uns als Eltern/Müttern gut geht, dann geht es auch den Kindern gut!

Ein Bonus in diesem Bereich ist übrigens auch das persönliche Wachstum, das mit dem Elternsein einhergeht. Ein Kind verhilft einem nämlich wirklich dazu, mehr über sich selbst und rückblickend über die eigene Kindheit zu lernen. Über sich hinauszuwachsen und vielleicht auch ein Stückweit zu heilen.

Die Quintessenz

Ja, das Elternsein bringt große Herausforderungen mit sich und mehr als einmal bin ich schon an meine Grenzen gestoßen. Und gleichzeitig birgt das Leben mit Kind so viele wunderschöne Momente der Verbundenheit und Freude. Momente der Liebe, des Lachens und purer Lebensfreude. Mama zu sein ist die sinnerfüllteste Aufgabe, die ich bisher hatte und ich weiß tagtäglich, wofür ich die Dinge tue, die ich tue - darunter auch, warum ich mich um mich selbst und meine Gesundheit sorge. Denn ich lebe nicht mehr „nur“ für mich, sondern auch für ein kleines Wesen, für das mein Partner und ich die ganze Welt bedeuten.

Denise

Denise ist leidenschaftliche Weltenbummlerin, Autorin, Schreibmentorin, Referentin und seit 2023 Mama eines Sohnes. 2017 veröffentlichte sie ihr erstes Buch „Das Leben passiert für dich“, um ihr Leben mit Mukoviszidose zu reflektieren und anderen Menschen Mut zu machen, ihren ganz eigenen Weg im Leben zu gehen - ein Anliegen, das sie bis heute in ihrer Arbeit und ihrem Leben verfolgt.

Instagram: @denise.yahrling

* Quittner AL, Goldbeck L, Abbott J, Duff A, Lambrecht P, Solé A, Tiboshc MM, Brucefors AB, Yüksel H, Catastini P, Blackwell L, Barker D. Prevalence of depression and anxiety in patients with cystic fibrosis and parent caregivers: results of The International Depression Epidemiological Study across nine countries. Thorax. 2014;69:1090–1097. doi:10.1136/thoraxjnl-2014-205983.

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Zuletzt aktualisiert: 14.05.2024
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