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Schlecht hören kann ich schon lange gut. Von der Einsicht, doch Hörgeräte zu benötigen.

Mit Mukoviszidose und Diabetes hatte Simona genug zu tun, fand sie. Deshalb fiel es ihr sehr schwer, sich einzugestehen, dass mit einer Hochtonschwerhörigkeit noch eine dritte chronische Krankheit bei ihr eingezogen war. Auf unserem Blog berichtet sie, wie sie sich eingestanden hat, doch Hörhilfen zu benötigen, wie es ihr heute damit geht und was sie anderen Betroffenen rät.

Es hatte schleichend begonnen, auch wenn ich es lange nicht wahrhaben wollte. Tatsache war, dass meinen Ohren schon über einen längeren Zeitraum hinweg Geräusche, Worte und ganze Satzteile entglitten. Ich verstand akustisch immer weniger. Das irritierte nicht nur mich, sondern auch die Menschen, mit denen ich sprach. Es passierte peinlicherweise immer häufiger, dass ich Fragen beantwortete, die mir so gar nicht gestellt wurden, oder noch schlimmer, ich brachte mich engagiert in Diskussionen ein und referierte dann über ein ganz anderes Thema, als über das, was tatsächlich diskutiert wurde. Auweia… Dass da etwas in die falsche Richtung lief, bemerkte ich mit Schamesröte im Gesicht leider immer erst dann, wenn mich die Menschen verwirrt anschauten, mich einfach ignorierten oder mich fragten, ob ich eigentlich richtig zugehört hätte. Doch hatte ich, dachte ich zumindest…

Lange versuchte Simona, ihre Hörprobleme zu verstecken

Meine Hörprobleme schob ich lange auf meinen Stress, als Mukoviszidose-Betroffene hat man davon schließlich genug, und tat es als vorübergehende Phase ab. Ich fand sogar, dass es gar nicht so wichtig war, jedes einzelne Wort zu verstehen, solange ich zumindest den Sinnzusammenhang mitbekam. Ich lachte, wenn alle lachten, obwohl ich keine Ahnung hatte, worüber sie lachten, ich nickte zustimmend oder schüttelte ablehnend den Kopf, wenn es die anderen taten, ich zog meine Stirn in Falten, wenn ich der Meinung war, dass sie besorgt schauten, ich tat so, als würde ich Gesagtes wie ein Schwamm aufsaugen, wenn die anderen interessiert oder konzentriert wirkten. Das angestrengte Hinhören erschöpfte mich allerdings immer öfter und ich kam mir irgendwann ziemlich idiotisch vor. Strategisch betrachtet war mein Verhalten auch nicht besonders schlau, denn ich belog mich ja andauernd selbst. Meine Nachfragerei nervte natürlich die anderen. Sie ermahnten mich, dass ich mich doch bitteschön besser konzentrieren solle und manchmal hatte ich das Gefühl, dass meine Mitmenschen anfingen, an meinem Verstand und meiner Intelligenz zu zweifeln. Ich fühlte mich ausgeschlossen, unverstanden und einsam.     

Irgendwo las ich damals mal, dass Antibiotika sich auf das Hörvermögen auswirken könnten. Tatsächlich bemerkte ich, dass ich immer dann schlechter hörte, wenn ich Antibiotika eingenommen hatte. Auch nach der Inhalation mit Tobi oder Gernebcin fühlte es sich an, als hätte mir jemand klammheimlich Watte in die Ohren gesteckt – alles klang so dumpf und verwaschen. Ich fragte bei der Mukoviszidose-Ambulanz nach. Dort war man allerdings der Ansicht, dass sich in erster Linie intravenös verabreichte Antibiotika auf das Hören auswirken könnten. Da ich aber keine IV´s benötigte, war ich genauso schlau wie vorher. Ein Hörtest wurde bis dahin leider nie empfohlen.

Studium bringt die Wende

Mit 36 Jahren fing ich ein Studium an und bekam im Laufe des ersten Jahres große Probleme, denn ich verstand bei den Vorlesungen meine Professoren akustisch so gut wie gar nicht mehr. Mit anderen Worten, wenn ich das Studium bestehen wollte, musste ich sofort handeln. Der Hörtest beim Ohrenarzt war erschreckend eindeutig – eine ausgeprägte Hochtonschwerhörigkeit in beiden Ohren. Na super! Mein Resttrotz flüsterte mir zu, dass ich mit der Mukoviszidose und dem Diabetes nun wirklich genug zu tun hätte. Sich ein weiteres chronisches gesundheitliches Problem zuzulegen wäre ja wohl total überflüssig. Letztlich fand ich mich bei einem Hörgerätefachgeschäft ein, nützte ja nichts. Das erste Probetragen von Hörgeräten überforderte mich geräuschmäßig massiv. Bei allen normalen Alltagsgeräuschen zuckte ich erschreckt zusammen – und dann der Krach der Vögel. War das Gezwitscher immer schon so laut? Ich musste das normale Hören erst wieder lernen, denn mein Hörproblem hatte ganz offenbar schon viel länger bestanden als ich dachte.

Hörgeräte als Offenbarung

Auch wenn die Hörgeräte keinen hundertprozentigen Ersatz für meinen Hörverlust sind, so sind sie eine echte Offenbarung. Das Meiste kann ich wieder hören und ich fühle mich nicht mehr so ausgeschlossen. Wenn ich müde oder gestresst bin, muss ich mich dennoch auf jedes einzelne Wort konzentrieren, was das Zuhören wieder deutlich anstrengender macht, meine Konzentrationsfähigkeit herausfordert und mich viel schneller erschöpft. Missen möchte ich meine Hörhilfen aber auf keinen Fall, denn sie haben mir ein Stück meiner Lebensqualität zurückgegeben. 

Aus Gesprächen mit anderen Mukoviszidose-Betroffenen weiß ich, dass es einige gibt, die Hörprobleme haben. Ich würde sie gerne dazu ermuntern, rechtzeitig einen Hörtest zu machen und nicht so lange zu warten wie ich. Die Hörgeräte sind heutzutage ziemlich klein und besseres Hören macht das Leben definitiv leichter – ich weiß, wovon ich rede.

Simona  

Über die Autorin

Simona Köhler, Jahrgang 1967, eine lebenserfahrene Mukoviszidose-Betroffene, lebt mit ihrem Mann in Pinneberg. Sie wurde u.a. zur Tanzpädagogin ausgebildet und unterrichtete viele Jahre Tanz. Nach dem Verwaltungsstudium arbeitet sie heute in der Hamburger Kulturbehörde als Referentin für Kinder- und Jugendkulturprojekte. Seit ihrem 18. Lebensjahr engagiert sie sich ehrenamtlich für Menschen mit Mukoviszidose. 

Wie das Tanzen ist auch das Schreiben für sie eine Möglichkeit, unklaren Gefühlen zu begegnen oder den Kopf wieder frei zu bekommen. Mit ihren Texten möchte sie ihre Erfahrungen im Umgang mit Mukoviszidose weitergeben. Zunehmend setzt sie sich in ihren Texten kritisch mit „Ableismus“ auseinander, um für dieses Thema zu sensibilisieren. 

Auf Instagram findet Ihr Simona unter @simonatanzt.

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Zuletzt aktualisiert: 04.03.2025