Manchmal wünschte ich mir, dass es Kaftrio rund 25 Jahre früher gegeben hätte. Nicht nur deshalb, weil es sehr vielen Mukoviszidose-Betroffenen dadurch signifikant besser geht und die Lebensqualität erhöht werden konnte, sondern auch, weil die Kinderplanung realistischer geworden ist. Egal wo ich gerade hinschaue oder hinhöre, Frauen mit Mukoviszidose werden gefühlt alle schwanger, sofern sie es möchten. Manchmal auch ungeplant.
Auch für mich ist Kaftrio in vielerlei Hinsicht ein Gamechanger. Zum Beispiel sind meine extremen Darmprobleme deutlich geringer geworden, ich brauche bestimmte Medikamente kaum noch (z.B. Antibiotika), meine Keime in der Lunge sind nicht mehr nachweisbar (einschließlich des Pseudomonas MRGN 4) und mein HBA1C-Wert hat sich deutlich verbessert. Eines wird mir Kaftrio jedoch nicht mehr „erfüllen“ können: meinen Kinderwunsch. Dafür bin ich mit meinen 57 Jahren schlicht und ergreifend zu alt. Je älter ich werde, desto trauriger macht mich diese Gewissheit manchmal.
Tatsächlich hätte ich sehr gerne ein Kind gehabt, was auf natürlichem Wege aber leider nie geklappt hat. Mein Drang, Mutter zu werden, war letztlich auch nicht so groß, dass ich eine Kinderwunschklinik aufgesucht hätte. Ich war und bin der Überzeugung, es klappt auf natürlichem Wege oder eben nicht. Dennoch hat es Zeiten gegeben, da hat mir die freudige Verkündung „ich bin schwanger“ von Freundinnen, meiner Schwester und Kolleginnen einen direkten Stich ins Herz versetzt. Ich habe sie darum beneidet, vor allem, wenn die kleinen Wesen auf der Welt waren. Dass Kinder nicht immer klein und süß bleiben, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Ich bin eine von den Mukoviszidose-Betroffenen, die aufgrund der Darmproblematik häufig einen ziemlich aufgeblähten Bauch hatten/haben. Das hat früher immer wieder für Missverständnisse gesorgt und ich bin relativ oft gefragt worden, wann es denn so weit sei? Meistens verbunden mit einem vielsagenden und wissenden Blick auf meinen vermeintlichen „Schwangerschaftsbauch“. Selbst von fremden Menschen, z.B. im Urlaub, in der Bahn oder sonst wo in der Öffentlichkeit wurde mir immer mal wieder zur baldigen Mutterschaft gratuliert und man wünschte mir alles Gute. Manchmal verstand ich gar nicht, von was sie sprachen. Manchmal triggerten mich diese Worte dann so sehr, dass ich tagelang dem unerfüllten Kinderwunsch hinterher trauerte.
Zusätzliche, teilweise bittere Erfahrungen waren für mich die geführten Diskussionen mit unterschiedlichen Menschen, die mich ungläubig anschauten, wenn ich von meinem Kinderwunsch erzählte. Sie sagten mir beispielsweise Dinge wie: „Du willst doch nicht etwa ernsthaft schwanger werden, mit deiner genetischen Erkrankung“, „deine Krankheit kannst du einem Baby nicht antun“, oder auch „wie willst du das denn schaffen, du bekommst doch ohnehin nur gerade so eben deinen Alltag hin.“ Immer wieder wurde mir vorgehalten, dass ich unverantwortlich handeln würde, wenn ich ein Baby bekäme, bis hin zu Gesprächen, die mir sehr deutlich machten, dass eine Weiterverbreitung dieser Krankheit nun wirklich zu weit und auf Kosten aller ginge. Auch wenn es „nur“ darum ginge, das kranke Gen weiterzuvererben. Da wären wir dann wieder einmal unter anderem beim Thema Ableismus angekommen… Bei dieser Art Gespräche fühlte ich mich ehrlich gesagt wie Ausschussware, wie ein Mensch 2. Klasse.
In der Zwischenzeit habe ich mit dem „niemals Mutter sein“, meinen Frieden geschlossen. Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass mein Mann und ich gute Eltern abgegeben hätten, aber natürlich hat es auch nicht wegzuredende Vorteile, kein Kind zu haben.
Mein Leben ist auch ohne Kind unendlich kostbar, erfüllend, bunt, individuell, vielfältig, anstrengend, liebevoll, spaßig, manchmal dunkel, manchmal hell und immer lebenswert.
Ganz manchmal frage ich mich trotzdem, wie wäre wohl mein Leben mit einem Kind verlaufen?
Simona
Simona Köhler, Jahrgang 1967, eine lebenserfahrene Mukoviszidose-Betroffene, lebt mit ihrem Mann in Pinneberg. Sie wurde u.a. zur Tanzpädagogin ausgebildet und unterrichtete viele Jahre Tanz. Nach dem Verwaltungsstudium arbeitet sie heute in der Hamburger Kulturbehörde als Referentin für Kinder- und Jugendkulturprojekte. Seit ihrem 18. Lebensjahr engagiert sie sich ehrenamtlich für Menschen mit Mukoviszidose.
Wie das Tanzen ist auch das Schreiben für sie eine Möglichkeit, unklaren Gefühlen zu begegnen oder den Kopf wieder frei zu bekommen. Mit ihren Texten möchte sie ihre Erfahrungen im Umgang mit Mukoviszidose weitergeben. Zunehmend setzt sie sich in ihren Texten kritisch mit „Ableismus“ auseinander, um für dieses Thema zu sensibilisieren.
Auf Instagram findet Ihr Simona unter @simonatanzt.
Mit Spenderlunge zur Goldmedaille
Wann ist es denn soweit? Kinderwunsch und Mukoviszidose
"Ich hatte immer die Angst im Hinterkopf, wann die Krankheit wieder zuschlagen würde"