Natürlich wird mein Leben durch meine drei chronischen Erkrankungen – Mukoviszidose, CF-Diabetes und Hochtonschwerhörigkeit – beeinflusst, nicht nur meine körperliche Fitness. Ich muss, ob ich will oder nicht, jeden Tag zwischen Arbeit, Alltag und Krankheitsmanagement jonglieren. Der ewige Versuch, eine Balance zu finden und doch ständig dabei zu wackeln.
Man sagte mir mit Mukoviszidose eine Lebenserwartung von ca. 12 Jahren vorher. Jetzt bin ich 58. Dennoch hatte ich viele Jahrzehnte in meinem Hinterkopf gespeichert, nicht alt zu werden. Ich hatte deshalb auch keine Zukunftsängste, ich habe alles gemacht, oder zumindest ausprobiert, was mir wichtig erschien. Ich bereue nichts.
Jetzt stehe ich aktuell an einem Punkt, bei dem ich mich frage, wie ich den Rest meines Lebens durchhalten soll. Vor allem was meinen Vollzeitjob betrifft. Mein kranker Körper bremst mich immer wieder aus, ich fühle mich von ihm im Stich gelassen, fühle mich ihm ausgeliefert. Immer häufiger wird es zum Durchhalten, manchmal auch, um Erwartungshaltungen zu erfüllen, auch meine eigenen. Ich stehe zwischen einem stetigen Spannungsfeld von Leistungsdruck und Selbstfürsorge und finde die richtige Balance dafür nicht mehr. Ich bin immer öfter mit der Organisation meines gesamten Lebens überfordert.
Ich arbeite normalerweise sehr gerne und Arbeiten bedeutet für mich auch mehr, als nur Geld zu verdienen. Für mich bedeutet es, am „normalen“ Leben teilzuhaben. Mein Beruf gibt mir Struktur im Alltag, ich habe das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, fühle mich Selbständig.
Nicht abhängig vom Geld anderer zu sein, dem Staat nicht auf der Tasche zu liegen.
Ich habe in den letzten fünf Jahre für meinen entscheidenden Karriereschritt gekämpft, den ich im letzten Jahr auch erreichte. Ich bin von einer Sachbearbeiterin zu einer Referentin aufgestiegen und bin zwei Besoldungsstufen höhergruppiert worden. Meine Chefin hat mich hierbei unglaublich unterstützt, ansonsten wäre mein Aufstieg niemals Realität geworden. Und jetzt hauen mir meine Krankheiten dauernd ein Stoppschild auf den Kopf, bremsen mich aus, nicht nur beruflich. Aber gerade im Berufsalltag wird Verlässlichkeit, Belastbarkeit und Konzentration vorausgesetzt. Vor allem jetzt nach meinem Karriereschritt, der auch mehr Verantwortung mit sich bringt.
Derzeit werde ich meinem eigenen Leistungsanspruch nur noch bedingt gerecht. Ich muss leider erkennen, dass ich zwischenzeitlich nicht mehr jeden Tag im gleichen Maß funktioniere wie meine gesunden Kolleginnen. Mit meinem Wunsch, „normal“ zu funktionieren, und der Anerkennung meines realistischen Gesundheitszustandes gerate ich täglich neu in einen inneren Konflikt.
Ich habe immer häufiger das Gefühl, dass ich mich doppelt anstrengen muss, um als genauso leistungsfähig anerkannt zu werden. Ich rechtfertige mich, ich erkläre und kämpfe teilweise gegen Vorurteile an. Immer öfter habe ich aber Angst, zu oft krank zu sein und deshalb fehlen zu müssen, oder gar ganz auszufallen. Ich muss gestehen, dass das durchaus an meinem Selbstwertgefühl nagt.
Ich muss mir immer mehr vor Augen führen, dass ich ja im Grunde tatsächlich zwei Vollzeitjobs habe – den der Krankheitsmanagerin und meinen Beruf. In dieser Situation erfahre ich momentan viel Unterstützung von meiner Chefin und von meinen Kolleginnen, was nicht selbstverständlich ist. Ich arbeite an drei Tagen im Homeoffice, ich kann aber auch mal die ganze Woche im Homeoffice arbeiten, wenn meine Gesundheit es erfordert. Sie nehmen mir auch Arbeit ab, wenn ich gerade etwas nicht mehr alles schaffe und sie haben Verständnis, wenn ich viele Arzttermine habe, die nicht immer alle nach Feierabend terminiert werden können. Ich bin dafür so dankbar.
Natürlich ahne ich, dass ich etwas verändern muss, auch wenn ich gerade nicht weiß, wie. Derzeit sortiere ich mich neu und habe eine externe Beratung organisiert, die mir hoffentlich dabei helfen kann. Denn plötzlich ist auch eine Zukunftsangst da. Was ist, wenn ich nicht mehr arbeiten kann, meine Rente nicht ausreichen wird und ich mir mein Kranksein im wahrsten Sinne nicht mehr leisten kann. Diese Gedankengänge sind für mich eher ungewohnt. Aber eines weiß ich genau: Meine chronischen Krankheiten definieren mich nicht! Ich bin so viel mehr als meine Diagnosen! Und aufgeben ist keine Option!
Grundsätzlich würde ich mir eine Arbeitswelt wünschen, in der chronische Erkrankungen oder Behinderungen kein Makel sind, sondern als Teil der Vielfalt gesehen werden. Und ich wünsche mir dieselbe Anerkennung, die Gesunde im Arbeitsleben für die gleiche Arbeit erhalten.
Simona

Simona Köhler, Jahrgang 1967, eine lebenserfahrene Mukoviszidose-Betroffene, lebt mit ihrem Mann in Pinneberg. Sie wurde u.a. zur Tanzpädagogin ausgebildet und unterrichtete viele Jahre Tanz. Nach dem Verwaltungsstudium arbeitet sie heute in der Hamburger Kulturbehörde als Referentin für Kinder- und Jugendkulturprojekte. Seit ihrem 18. Lebensjahr engagiert sie sich ehrenamtlich für Menschen mit Mukoviszidose.
Wie das Tanzen ist auch das Schreiben für sie eine Möglichkeit, unklaren Gefühlen zu begegnen oder den Kopf wieder frei zu bekommen. Mit ihren Texten möchte sie ihre Erfahrungen im Umgang mit Mukoviszidose weitergeben. Zunehmend setzt sie sich in ihren Texten kritisch mit „Ableismus“ auseinander, um für dieses Thema zu sensibilisieren.
Auf Instagram findet Ihr Simona unter @simonatanzt.
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